Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
Menschen, von denen einige blutbefleckte Verbände trugen, schlurften unter den wachsamen Blicken von mit Speeren bewaffneten Tarabonern über den Hof. Mehrere Seanchaner standen auf einem nahe gelegenen Turm und spähten zwischen den Zinnen hindurch in die Ferne. Einer trug einen mit drei schmalen Federn geschmückten Helm. Eine Frau erschien an einem Fenster auf der anderen Seite des Hofs, die mit einem Lichtblitz bestickte rote Applikation deutlich auf der Brust, und beobachtete die Weißmäntel-Gefangenen stirnrunzelnd. Die dahinstolpernden Männer wirkten benommen, als könnten sie nicht glauben, was geschehen war.
Was sollten sie tun? Eine Entscheidung, die Morgase fürchtete. Es schien, als hätte sie seit Monaten keine wichtige Entscheidung mehr getroffen, die nicht ins Unglück geführt hätte. Eine Wahl, hatte Suroth gesagt. Hilf diesen Seanchanern, Andor einzunehmen, oder … Ein letzter Dienst, den sie Andor erweisen konnte. Das Ende der Kolonne erschien, gefolgt von weiteren Tarabonern, denen sich ihre Landsleute anschlossen, an denen sie vorübergingen. Ein zwanzig Fuß tiefer Fall, und Suroth verlor ihr moralisches Druckmittel. Vielleicht war es der Ausweg eines Feiglings, aber sie hatte sich bereits als solcher erwiesen. Dennoch sollte die Königin von Andor nicht so sterben.
Sie sprach leise die unwiderruflichen Worte, die in der tausendjährigen Geschichte Andors erst zweimal zuvor gebraucht worden waren. »Unter dem Licht überlasse ich die Führung des Hauses Trakand Elayne Trakand. Unter dem Licht entsage ich der Rosenkrone und verzichte zugunsten Elaynes, der Hohen Herrin des Hauses Trakand, auf den Thron. Unter dem Licht unterwerfe ich mich dem Willen Elaynes von Andor als ihre gehorsame Untertanin.« Nichts von alledem machte Elayne natürlich zur Königin, aber es ebnete den Weg.
»Worüber lächelst du?«, fragte Lini.
Morgase wandte sich langsam um. »Ich dachte an Elayne.« Sie glaubte nicht, dass ihre alte Amme nahe genug gestanden hatte, um hören zu können, was wirklich niemand zu hören brauchte.
Linis Pupillen weiteten sich jedoch, und sie hielt den Atem an. »Du kommst augenblicklich von dort fort!«, fauchte sie und ließ den Worten Taten folgen, indem sie Morgases Arm ergriff und sie vom Fenster fortzog.
»Lini, du vergisst dich! Du bist schon seit langer Zeit nicht mehr meine Amme …!« Morgase atmete tief durch und besänftigte ihre Stimme. Es war nicht leicht, diesem furchtsamen Blick zu begegnen, denn sonst erschreckte Lini nichts. »Ich tue nur das, was zum Besten Andors ist, glaub mir«, belehrte sie die beiden sanft. »Es gibt keine andere Möglichkeit …«
»Keine andere Möglichkeit?«, unterbrach Breane sie verärgert und umklammerte ihre Röcke so fest, dass ihre Hände zitterten. Sie hätte sie eindeutig lieber um Morgases Kehle gelegt. »Welch törichten Unsinn gebt Ihr jetzt von Euch? Was ist, wenn diese Seanchaner denken, wir hätten Euch getötet?« Morgase presste die Lippen zusammen. War sie inzwischen so leicht zu durchschauen?
»Schweigt, Frau!« Lini wurde sonst niemals ärgerlich oder erhob ihre Stimme, aber jetzt tat sie beides. Sie hob eine knochige Hand. »Ihr haltet den Mund, sonst schlage ich Euch, bis Ihr noch einfältiger seid als jetzt!«
»Schlagt sie , wenn Ihr jemanden schlagen wollt!«, schrie Breane wild zurück. » Königin Morgase! Sie wird Euch und mich und meinen Lamgwin an den Galgen bringen, und ihren kostbaren Tallanvor ebenfalls, weil sie den Mut einer Maus hat!«
Die Tür öffnete sich; Tallanvor trat ein und beendete damit den Streit. Niemand würde in seiner Gegenwart schreien. Lini gab vor, Morgases Ärmel zu betrachten, als müsse er ausgebessert werden, während Meister Gill und Lamgwin Tallanvor in den Raum folgten. Breane setzte ein strahlendes Lächeln auf und glättete ihre Röcke. Die Männer merkten natürlich nichts.
Morgase merkte viel. Tallanvor hatte ein Schwert umgeschnallt, und Meister Gill und sogar Lamgwin ebenfalls, obwohl seines ein Kurzschwert war. Sie hatte stets das Gefühl gehabt, dass er sich wohler fühlte, wenn er die Gelegenheit hatte, sich mit Fäusten anstatt mit einer Waffe zu verteidigen. Bevor sie fragen konnte, schloss der dünne Mann, der als Letzter hereinkam, sorgfältig die Tür hinter sich.
»Majestät«, sagte Sebban Balwer, »verzeiht unser Eindringen.« Seine Verbeugung und sein Lächeln schienen nüchtern und korrekt, aber als sein Blick von ihr zu den anderen Frauen zuckte, war
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