Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
komplizierteste Spitze und mit derselben Bewegung abgebunden, mit der es zu schrumpfen begann. Dieses Mal fiel es ganz in sich zusammen, in Beldeines Kopf hinein. Jene schwach leuchtenden Fäden versanken in ihr, bis sie gänzlich verschwanden. Sie rollte erneut die Augen und schlug mit zitternden Gliedern um sich. Verin hielt sie so sanft wie möglich fest, aber Beldeines Kopf zuckte dennoch hin und her, und ihre bloßen Fersen trommelten auf die Teppiche. Bald würde nur noch die sorgfältigste Tiefenschau zeigen, dass etwas getan worden war, und nicht einmal das würde die Beschaffenheit des Gewebes erkennen lassen. Verin hatte es sorgfältig überprüft, und niemand war besser in der Tiefenschau als sie.
Natürlich war es nicht wirklich Zwang gewesen, wie ihn die alten Texte beschrieben. Das Gewebe schwand qualvoll langsam, zusammengeflickt wie es war, und es musste ein Grund gegeben sein. Es half sehr, wenn derjenige, bei dem das Gewebe angewandt wurde, gefühlsmäßig verletzbar war, aber Vertrauen war absolut unumgänglich. Selbst jemanden überraschend zu erwischen, nützte nichts, wenn er misstrauisch war. Diese Tatsache schränkte die Brauchbarkeit bei Männern erheblich ein. Nur sehr wenige empfanden in Gegenwart von Aes Sedai kein Misstrauen.
Doch selbst wenn man vom Misstrauen einmal absah, waren Männer leider sehr schlechte Versuchsobjekte. Verin konnte nicht verstehen, warum das so war. Die meisten der Gewebe jener Mädchen waren für ihre Väter oder andere Männer bestimmt gewesen. Jede starke Persönlichkeit könnte ihre eigenen Handlungen irgendwann infrage stellen – oder auch vergessen, sie auszuführen, was zu weiteren Verwicklungen führte –, aber unter den gleichen Umständen neigten Männer weitaus eher dazu. Weitaus eher. Vielleicht war erneut das Misstrauen der Grund. Nun, einmal hatte sich ein Mann sogar an die bei ihm angewandten Gewebe erinnert, wenn auch nicht an die Anweisungen, die sie ihm gegeben hatte. Das hatte erst Aufregung verursacht! Das wollte sie nicht wieder riskieren.
Zumindest ließen Beldeines Zuckungen jetzt nach und hörten dann ganz auf. Sie hob eine schmutzige Hand an den Kopf. »Was …? Was ist passiert?«, fragte sie fast unhörbar. »War ich ohnmächtig?« Vergesslichkeit war ein weiterer Vorteil des Gewebes und kam nicht unerwartet. Vater durfte sich schließlich nicht daran erinnern, dass man ihn irgendwie dazu gebracht hatte, dieses teure Gewand zu kaufen.
»Es ist sehr heiß«, sagte Verin und half ihr, sich wieder aufzusetzen. »Mir ist heute selbst einmal schwindlig geworden.« Aber vor Müdigkeit, nicht durch die Hitze. So viel Saidar zu handhaben, laugte einen aus, besonders wenn man es bereits viermal an einem Tag getan hatte. Das Angreal konnte die Wirkung nicht abmildern, wenn man es nicht mehr benutzte. Sie hätte selbst eine stützende Hand gebrauchen können. »Ich glaube, das genügt. Wenn Ihr ohnmächtig werdet, finden sie für Euch vielleicht eine Arbeit im Schatten.« Diese Aussicht schien Beldeine überhaupt nicht aufzuheitern.
Verin rieb sich den Rücken und streckte den Kopf aus dem Zelt. Coram und Mendan hielten erneut in ihrem Spiel inne. Es war nicht erkennbar, dass sie gelauscht hatten, aber sie hätte nicht ihr Leben darauf verwettet. Sie sagte ihnen, sie sei fertig mit Beldeine, und fügte nach kurzem Nachdenken hinzu, dass sie einen weiteren Krug Wasser brauche, da Beldeine den ihren umgestoßen habe. Die Gesichter beider Männer verdüsterten sich unter ihrer Bräune. Das würde den Weisen Frauen zugetragen werden, wenn sie Beldeine abholten. Es wäre eine weitere Hilfe, ihre Entscheidung zu treffen.
Die Sonne stand noch hoch am Himmel, aber ihre Rückenschmerzen machten ihr deutlich, dass es für heute Zeit war aufzuhören. Sie konnte noch eine Schwester befragen, aber wenn sie es tat, würde sie es morgen früh in jedem Muskel spüren. Ihr Blick fiel auf Irgain, die jetzt bei den Frauen war, welche Körbe zu den Handmühlen trugen. Wie wäre ihr Leben verlaufen, wenn sie nicht so neugierig gewesen wäre, fragte sich Verin. Vielleicht hätte sie Eadwin geheiratet und wäre in Far Madding geblieben, anstatt zur Weißen Burg zu gehen. Vielleicht wäre sie aber auch schon lange tot, und die Kinder und Enkelkinder, die sie niemals gehabt hatte, ebenfalls.
Verin wandte sich seufzend wieder Coram zu. »Würdet Ihr nach Mendans Rückkehr Colinda ausrichten, dass ich Irgain Fatamed sehen möchte?« Die morgigen Schmerzen in ihren
Weitere Kostenlose Bücher