Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
wie möglich wieder Weiß tragen und streng diszipliniert werden, bis sie zu einer angemessenen Bestrafung zur Burg zurückgeschickt werden kann. Danach wird sie niemals wieder ans Ausreißen denken!«
Elayne nickte gemächlich und bemühte sich, eine Antwort zu ersinnen. Ob Garenia – Zarya – erneut an Flucht dachte oder nicht, sie würde keine Gelegenheit mehr dazu bekommen. Zarya war zu stark in der Macht. Die Burg würde sie nicht gehen lassen, und wenn sie ihr ganzes restliches Leben dafür brauchte, die Stola zu erlangen. Aber Elayne erinnerte sich an etwas, das sie diese Frau hatte sagen hören, als sie ihr zum ersten Mal begegnet war. Sie hatte die Bedeutung dessen damals nicht erkannt, aber jetzt tat sie es. Wie würde Zarya das Novizinnenweiß verkraften, nachdem sie siebzig Jahre lang eigenständig gelebt hatte? Schlimmer noch, das Flüstern der anderen Kusinen klang allmählich bedrohlich.
Sie musste nicht lange nachdenken. Kirstian sank plötzlich auf die Knie und umklammerte mit einer Hand Adeleas’ Röcke. »Ich bekenne ebenfalls«, sagte sie leise, und es war ein Wunder, dass über diese blutleeren Lippen überhaupt noch ein Laut kam. »Ich wurde vor fast dreihundert Jahren in das Novizinnenbuch eingeschrieben und bin weniger als ein Jahr später davongelaufen. Ich füge mich und … bitte um Gnade.«
Jetzt weiteten sich Adeleas’ Augen. Kirstian behauptete, aus der Weißen Burg davongelaufen zu sein, als sie selbst noch ein Kind war, wenn nicht vor ihrer Geburt! Die meisten der Schwestern glaubten das von den Kusinen angegebene Alter noch immer nicht. Dem Anschein nach war Kirstian gerade erst in mittlerem Alter.
Dennoch erholte Adeleas sich rasch wieder. Wie alt die andere Frau auch immer war – Adeleas war ungefähr ebenso lange Aes Sedai wie jede andere der ältesten. Eine Aura von Alter und Autorität umgab sie. »Wenn das so ist, Kind«, sagte sie, wobei ihre Stimme nur leicht schwankte, »fürchte ich, dass wir auch Euch in Weiß kleiden müssen. Ihr werdet natürlich bestraft werden, aber die Strafe wird milder ausfallen, weil Ihr Euch bekannt habt.«
»Aus diesem Grund habe ich es getan.« Kirstians feste Stimme wurde durch ein schweres Schlucken etwas erschüttert. Sie war fast ebenso stark wie Zarya – keine Frau des Nähkränzchens war schwach –, und sie würde sehr streng beaufsichtigt werden. »Ich wusste, dass Ihr mich früher oder später aufspüren würdet.«
Adeleas nickte, als wäre das nur allzu offensichtlich, obwohl Elayne sich nicht vorstellen konnte, wie man die Frau hätte ausfindig machen sollen. Sie bezweifelte sehr, dass Kirstian Chalwin der Name war, mit dem die Frau getauft worden war. Die meisten der Kusinen glaubten jedoch an die Allwissenheit der Aes Sedai. Zumindest hatten sie daran geglaubt.
»Unsinn!« Sarainya Vostovans heisere Stimme durchschnitt das Gemurmel der Frauen. Weder ausreichend stark, um eine Aes Sedai werden zu können, noch auch nur annähernd alt genug, um einen sehr hohen Rang innerhalb der Kusinen zu bekleiden, setzte sie sich dennoch trotzig von der Masse ab. »Warum sollten wir sie der Weißen Burg überlassen? Wir haben Frauen bei der Flucht geholfen, und das ist richtig so! Es gehört nicht zu den Regeln, sie zurückzubringen!«
»Beherrscht Euch!«, sagte Reanne scharf. »Alise, nehmt Sarainya in Eure Obhut. Anscheinend vergisst sie zu viele der Regeln, die sie zu kennen behauptet.«
Alise sah Reanne mit noch immer unlesbarer Miene an. Alise, welche die Regeln der Kusinen mit fester Hand durchsetzte. »Es gehört wirklich nicht zu unseren Regeln, Ausreißerinnen zurückzubringen, Reanne«, sagte sie.
Reanne zuckte zusammen, als wäre sie geschlagen worden. »Und wie sollen wir sie Eurer Ansicht nach festhalten?«, fragte sie schließlich. »Wir haben Ausreißerinnen stets verborgen gehalten, bis wir sicher waren, dass sie nicht mehr gejagt wurden, und wenn sie vorher gefunden wurden, haben wir die Schwestern sie mitnehmen lassen. Das ist die Regel, Alise. Welche andere Regel sollen wir denn noch verletzen? Wollt Ihr vorschlagen, wir sollten uns tatsächlich gegen die Aes Sedai stellen?« Ihre Stimme verdeutlichte die Lächerlichkeit einer solchen Vorstellung, und dennoch stand Alise da und sah sie schweigend an.
»Ja!«, rief eine Frau. »Wir sind viele, und sie sind nur wenige!« Adeleas starrte ungläubig in die Menge. Elayne umarmte Saidar , obwohl sie wusste, dass die Stimme recht hatte – die Kusinen hatten zu viele
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