Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
Gürteldolch, und ihrer Miene nach zu urteilen wünschte sie sich zutiefst, ihren Bogen mitgebracht zu haben. Dieser aufgelegte Pfeil war stärker denn je in Elaynes Kopf zu spüren.
Nynaeve blieb zunächst stehen, wo sie war, und betrachtete das Innere der Hütte. Abgesehen vom Offensichtlichen war wenig erkennbar. Ein zweiter dreibeiniger Stuhl, ein grob gezimmerter Tisch mit einer flackernden Lampe, eine grüne Teekanne und ein zweiter Becher, ein Kamin aus Feldsteinen mit erkalteter Asche – das war alles. Die Hütte war so klein, dass Nynaeve bereits mit einem Schritt am Tisch war. Sie tauchte ihren Finger in die Teekanne, führte ihn an die Zungenspitze, spie dann heftig aus und schüttete den ganzen, aus Tee und Teeblättern bestehenden Inhalt der Kanne über den Tisch. Elayne blinzelte verwundert.
»Was ist geschehen?«, fragte Vandene schließlich kühl von der Tür her. Lan wollte ihr in den Weg treten, aber sie hielt ihn mit einer kleinen Geste auf. Elayne wollte einen Arm um sie legen und wurde mit einer weiteren Geste ebenfalls gehindert. Vandenes Blick blieb auf ihre Schwester gerichtet, ein ruhiger Blick aus einem gelassenen Aes-Sedai-Gesicht. Die tote Frau auf dem Feldbett hätte ebenso gut nicht da sein können. »Als ich Euch alle hierhereilen sah, dachte ich … Wir wussten, dass uns nicht mehr viele Jahre blieben, aber …« Ihre Stimme klang völlig ruhig, allerdings war kaum verwunderlich, dass es Verstellung war. »Was habt Ihr gefunden, Nynaeve?«
Mitleid wirkte an Nynaeve seltsam. Sie räusperte sich und deutete auf die Teeblätter, ohne sie zu berühren. Zwei weiße Schnitzel lagen unter den mattschwarzen Blättern. »Das ist Rotdornwurz«, sagte sie und versuchte, sachlich zu klingen. »Sie schmeckt süß, sodass man sie im Tee vielleicht nur bemerkt, wenn man weiß, was es ist, besonders wenn man viel Honig nimmt.«
Vandene nickte, ohne den Blick von ihrer Schwester abzuwenden. »Adeleas hat in Ebou Dar Gefallen an süßem Tee gefunden.«
»Ein wenig davon lindert Schmerz«, sagte Nynaeve. »So viel davon … so viel davon tötet, wenn auch langsam. Schon ein paar Schlucke genügen.« Sie atmete tief durch und fügte hinzu: »Sie waren vielleicht noch Stunden bei Bewusstsein. Unfähig, sich zu bewegen, aber bei Bewusstsein. Entweder wollte derjenige, der dies getan hat, nicht riskieren, dass zu rasch jemand mit einem Gegenmittel käme – obwohl ich gegen ein solch starkes Gebräu keines kenne – oder er wollte, dass eine von ihnen oder beide wüssten, wer sie getötet hat.« Elayne war entsetzt über die Brutalität, aber Vandene nickte nur.
»Es ging vermutlich um Ispan, da man mit ihr die meiste Zeit verbracht hat.« Es schien fast, als würde die weißhaarige Grüne laut nachdenken, um einem Rätsel auf die Spur zu kommen. Es beanspruchte weniger Zeit, jemandem die Kehle durchzuschneiden, als jemandem einen Pfahl durchs Herz zu treiben. Ihre Ruhe verursachte Elayne eine Gänsehaut. »Adeleas hätte niemals von jemandem etwas zu trinken angenommen, den sie nicht kannte, nicht hier draußen mit Ispan. Diese beiden Tatsachen entlarven ihre Mörderin in gewisser Weise – eine Schattenfreundin, eine aus unserer Gruppe. Eine von uns.« Elayne spürte ihr eigenes und Birgittes Entsetzen.
»Eine von uns«, stimmte Nynaeve traurig zu. Aviendha fuhr mit dem Daumen über ihre Dolchklinge, was Elayne dieses eine Mal als angemessen empfand.
Vandene bat darum, einige Augenblicke mit ihrer Schwester allein gelassen zu werden, dann setzte sie sich auf den Boden und barg Adeleas in ihren Armen, noch bevor die anderen draußen waren. Jaem, Vandenes alter Behüter, erwartete sie bereits mit einer zitternden Kirstian.
Plötzlich erklang aus der Hütte heftiges Wehklagen, der lauthals ausgestoßene Schrei einer Frau, die alles verloren zu haben glaubte. Ausgerechnet Nynaeve wandte sich um und wollte wieder hineingehen, aber Lan legte ihr eine Hand auf den Arm, und Jaem pflanzte sich mit nicht wesentlich freundlicherem Blick als Lan vor der Tür auf. Sie konnten nichts anderes tun als Vandene ihrem Schmerz zu überlassen. Und den Schmerz zu teilen, wie Elayne erkannte, als sie das Gewirr von Empfindungen in ihrem Kopf spürte, das Birgitte war. Sie erschauderte, und Birgitte legte ihr einen Arm um die Schultern. Aviendha tat es ihr von der anderen Seite gleich und bedeutete Nynaeve, sich ihnen anzuschließen, was sie nach kurzem Zögern tat. Der Mord, an den Elayne so leichthin gedacht hatte,
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