Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
einschläfernde Wirkung zu haben. Nein. Es war die Kälte, die ihren Verstand betäubte. Ihr Blut langsamer fließen ließ. Sie musste dagegen ankämpfen oder sie würde sterben.
Faile bewegte rhythmisch ihre Hände und die gefesselten Arme, spannte die Beine an und entspannte sie wieder, zwang ihre Muskeln dazu, ihr Blut zirkulieren zu lassen. Sie dachte an Perrin, schmiedete Pläne, wie er mit Masema verfahren sollte und wie sie ihn davon überzeugen würde, wenn er sich sträubte. Sie ging in Gedanken die Diskussion durch, die sie haben würden, wenn er erfuhr, dass sie Cha Faile als Spione benutzt hatte, plante, wie sie seinem Zorn begegnen und ihn abwenden würde. Die Wut eines Ehemanns in eine gewünschte Richtung zu lenken war eine Kunst und sie hatte von einer Expertin gelernt, ihrer Mutter. Es würde ein großartiger Streit werden. Und eine großartige Versöhnung – danach.
Der Gedanke an die Versöhnung mit Perrin ließ sie vergessen, ihre Muskeln zu bewegen, also versuchte sie sich auf den Streit zu konzentrieren, auf das Pläneschmieden. Aber die Kälte erschwerte jegliches Denken. Sie fing an, den Faden zu verlieren, musste den Kopf schütteln und von vorn anfangen. Rolans grobe Befehle halfen ebenfalls, es war eine Stimme, auf die sie sich konzentrieren konnte, die sie wach hielt. Sogar die begleitenden Schläge auf ihre Kehrseite halfen, sosehr sie es hasste, das zugeben zu müssen, denn jeder davon war eine Erschütterung, die sie aufweckte. Eine Zeit lang später fing sie an, öfters herumzurutschen, dann wehrte sie sich, bis sie beinahe herunterfiel, und provozierte die groben Klapse. Alles, nur um wach zu bleiben. Sie vermochte nicht zu sagen, wie viel Zeit verging, aber ihre Bewegungen wurden schwächer, bis Rolan sie nicht länger anfuhr und sie auch nicht mehr schlug. Licht, sie wollte, dass der Mann auf ihr spielte wie auf einer Trommel!
Warum, beim Licht, sollte ich so etwas tatsächlich wollen?, dachte sie träge, und in einer trüben Ecke ihres Bewusstseins erkannte sie, dass die Schlacht verloren war. Sogar die Nacht erschien dunkler, als sie sein sollte. Sie konnte nicht einmal mehr den Schein des Mondlichts auf dem Schnee erkennen. Sie konnte spüren, wie sie allem entglitt, immer schneller einer noch tieferen Finsternis entgegenraste. Sie schluchzte stumm und versank in der Betäubung.
Träume kamen. Sie saß auf Perrins Schoß, und er umarmte sie so fest, dass sie sich kaum bewegen konnte, während in einem breiten Kamin ein Feuer loderte. Sein Bart kratzte auf ihren Wangen, während er beinahe schmerzhaft an ihrem Ohrläppchen knabberte. Plötzlich tobte ein gewaltiger Windstoß durch den Raum und löschte das Feuer wie eine Kerze. Und Perrin verwandelte sich in Rauch, der in der nicht enden wollenden Böe verschwand. Allein in der bedrückenden Finsternis kämpfte sie gegen den Wind, aber er wirbelte sie umher, bis ihr so schwindelig war, dass sie oben nicht mehr von unten unterscheiden konnte. Allein taumelte sie immer tiefer in die eisige Dunkelheit hinein, in dem Wissen, dass sie ihn niemals wiederfinden würde.
Sie lief durch ein erfrorenes Land, quälte sich von Schneewehe zu Schneewehe, stürzte, kämpfte sich wieder hoch, um voller Panik weiterzulaufen, atmete keuchend Luft ein, die so kalt war, dass sie ihre Kehle wie Glasscherben aufschlitzte. An den kahlen Ästen um sie herum funkelten Eiszapfen, eisiger Wind heulte durch den blattlosen Wald. Perrin war sehr wütend und sie musste fort. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund konnte sie sich nicht mehr an die Einzelheiten des Streits erinnern, nur dass sie ihren wunderschönen Wolf irgendwie richtig wütend gemacht hatte, bis Gegenstände geworfen wurden. Nur dass Perrin nie mit Gegenständen um sich warf. Er würde sie übers Knie legen, so wie er es schon einmal vor langer Zeit getan hatte. Aber warum rannte sie davor fort? Da war doch noch immer die Versöhnung. Und natürlich würde sie ihn für die Demütigung zahlen lassen. Gut, sie hatte ihn gelegentlich mit einer wohlgezielten Schale oder einem Krug ein bisschen bluten lassen, ohne das eigentlich zu wollen, aber sie wusste, dass er ihr niemals richtig wehtun würde. Doch sie wusste auch, dass sie rennen musste, immer weiter, oder sie würde sterben.
Wenn er mich fängt, dachte sie trocken, wird zumindest ein Teil von mir warm sein. Der Gedanke ließ sie lachen, bis das tote weiße Land um sie herumwirbelte, und sie wusste, dass auch sie bald tot sein
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