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Das Rätsel der dritten Meile

Das Rätsel der dritten Meile

Titel: Das Rätsel der dritten Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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10.55 Uhr Bahnsteig drei, Birmingham 11.02 Uhr Bahnsteig eins...» Morse sah auf die Uhr. Erst 10.41 Uhr, da konnte er sich auf seinem Weg ins Präsidium ruhig etwas Zeit lassen, und im übrigen — was jetzt noch zu tun war, verlangte keine Eile.
    Vom Bahnhof aus ging er zur Bushaltestelle in der Cornmarket Street; gegen halb zwölf traf er im Präsidium ein. Lewis begrüßte ihn mit sichtlicher Erleichterung.
    «Hat sich die Fahrt nach London gelohnt, Sir?»
    «Über alle Maßen, mein lieber Lewis», sagte Morse und strahlte den Sergeant gutgelaunt an.
    «Wir hatten Sie eigentlich schon gestern zurückerwartet.»
    «Und wer ist wir?»
    «Dem Super ist anscheinend eine Laus über die Leber gelaufen — er will Sie unbedingt sprechen. Gestern hat er mindestens dreimal angerufen und heute morgen auch schon zweimal.»
    «So.»
    «Ich soll Ihnen ausrichten, Sie sollten sich, sobald Sie zurück seien, bei ihm melden.»
    «Na, dann will ich das mal gleich tun», sagte Morse und wählte die Nummer des Superintendent. Doch offenbar sprach dieser gerade, der Anschluß war besetzt.
    «Und hier, Lewis?» wandte er sich an den Sergeant. «Irgendwelche aufregenden Neuigkeiten?»
    «Ich weiß nicht so genau, Sir. Das hier hat mir gestern der Pedell des Lonsdale College gegeben.» Es war die Ansichtskarte aus Griechenland.
    Morse besah sich etwas ratlos die antiken Ruinen und drehte dann die Karte um. Ein Blick auf die Rückseite belehrte ihn, daß es sich um die Reste des Palastes von Philipp II. von Makedonien handelte. Die Karte war mit einer griechischen Briefmarke frankiert; der Text war nur kurz: «Wunderbares Wetter hier. Bitte alle Post ab sofort an meine neue Adresse in London. Falls jemand nach mir fragt — ich werde noch um eine Woche verlängern. Grüße auch an den Rektor und die Kollegen. G. W.»
    «Scheint ein hübsches Fleckchen Erde zu sein», bemerkte Morse.
    «Ja», sagte Lewis, «dieser Westerby hat es gut. Blauer Himmel, Sonne...»
    «Ich glaube nicht, daß dort, wo Westerby jetzt ist, so sehr anderes Wetter ist als hier», orakelte Morse.
    Lewis sah ihn verblüfft an.
    «Schauen Sie mich nicht so erstaunt an, Lewis. Westerby ist nicht in Griechenland. Die Karte ist ein Bluff.»
    «Aber...»
    «Sehen Sie sich den Stempel auf der Briefmarke doch mal genau an.»
    Lewis hielt sich die Karte dicht vor die Augen, doch alles, was er sah, war ein gräulich-schwarz gefärbter Ring, in dem sich die meisten Buchstaben nur ahnen, jedoch nicht entziffern ließen. Lediglich ein < O > und ein , offenbar ziemlich zu Anfang eines Wortes, sowie — in größerem Abstand — ein waren einigermaßen zu erkennen. Achselzuckend gab Lewis dem Chief Inspector die Karte zurück.
    «Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, was Sie meinen. Wie soll derjenige das denn angestellt haben? Und die Karte trägt schließlich eine griechische Briefmarke...»
    «Aber Lewis, an eine griechische Briefmarke zu kommen, ist doch nun wirklich kein Problem. Und dann nimmt man einen Datumsstempel, der so ähnlich aussieht wie ein Poststempel, und drückt ihn nicht auf, sondern wischt mit ihm über die Marke, so daß sich die Buchstaben nicht mehr lesen lassen. Dann paßt man einen günstigen Moment ab, wenn die Pförtnerloge eine Weile unbesetzt ist und legt die Karte auf den Stapel zu der gerade eingetroffenen Post. Einfach — und absolut narrensicher. Und übrigens, falls es Sie interessiert, der Datumsstempel stammt aus dem Lonsdale College.»
    Lewis wollte gerade etwas sagen, da klingelte das Telefon. Die Stimme am anderen Ende klang alles andere als freundlich: «Na, da kann ich mich ja richtig freuen, daß ich Sie endlich mal erwische, Morse! Ich möchte Sie sprechen — und zwar sofort!»
    «Der Chef hat Sie momentan auf dem Kieker, was?» sagte Lewis mitfühlend.
    Doch Morse schien sich keine allzu großen Sorgen zu machen. Er stand ohne Eile auf, zog sich sein Jackett an und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um.
    «Und noch eins, Lewis. Was diese Karte angeht — erinnern Sie sich noch, daß wir in einem der Räume des Lonsdale College ein Manuskript haben liegen sehen — Philipp II. von Makedonien und; seine Zeit? »
    Lewis nickte. Ja, natürlich, der dicke Stapel Papier war ja nicht zu übersehen gewesen. Er sah Browne-Smiths Schreibtisch noch deutlich vor sich... Überall hatten Dias und Fotografien herumgelegen — und Ansichtskarten. Er fühlte einen kleinen Stich. Warum war es immer Morse, der solche Verbindungen

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