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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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an!«
    »Nein!«, schrie er. Er wand und krümmte sich, trat nach ihr und versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien. »Niemals. Ich werde…«
    »Maffeo!«, schrie auch Beatrice. Und da sie sich keinen anderen Rat wusste, gab sie ihm eine schallende Ohrfeige. Von einer Sekunde zur nächsten verstummte er und starrte sie an wie ein verängstigtes Kaninchen. »Sieh mich an! Ich bin Beatrice. Erkennst du mich jetzt?«
    Er runzelte die Stirn. »Doch, ja, ich kenne dich. Du bist Beatrice, die Frau, die Dschinkim und ich in der Steppe fanden. Es war an dem Tag, als der Fuchs Dschinkims Adler gerissen hatte. Was machst du hier, Beatrice? Hat Khubilai dich in sein Gefolge aufgenommen? Ich dachte…«
    Beatrice seufzte. Er halluzinierte immer noch. Das wurde allmählich anstrengend. Wie hielten das bloß die Kollegen von der Psychiatrie aus, die jeden Tag, sieben Tage die Woche, zweiundfünfzig Wochen im Jahr mit den Wahnwelten ihrer Patienten konfrontiert waren?
    »Ich wohne hier. Aber das ist jetzt gleichgültig.« Sie nahm die Schale und reichte sie ihm. »Trink das aus.«
    Misstrauisch begutachtete er die schwarze Flüssigkeit.
    »Was ist das?«
    »Medizin«, antwortete Beatrice und tupfte mit einem Tuch den schwarzen Speichel von Maffeos Kinn. »Ich weiß, dass es abscheulich schmeckt. Aber es wird das Gift in deinem Körper neutralisieren.«
    Hoffentlich, fügte sie in Gedanken hinzu.
    Sie hielt ihm erneut die Schale an die Lippen, und tatsächlich trank er sie jetzt widerstandslos in kleinen Schlucken leer. Danach füllte sie zum Nachspülen klares Wasser hinein.
    »Du musst dich jetzt hinlegen, Maffeo«, sagte Beatrice und führte ihn zu ihrem Bett. Durch das Fieber war er so geschwächt, dass seine Beine unter ihm einknickten und sie ihn stützen musste. Sie half ihm, sich auszustrecken, legte ein feuchtes Tuch auf seine Stirn und wickelte nasse Tücher um seine Waden. Dann deckte sie ihn zu. »Versuch zu schlafen, ich werde bei dir bleiben.«
    Gehorsam schloss er die Augen. Nur kurze Zeit später hörte sie an seinen tiefen Atemzügen, dass er bereits eingeschlafen war. Beatrice schob einen der Stühle neben das Bett und setzte sich. Müde rieb sie sich ihren heftig schmerzenden Rücken, streifte die chinesischen Sandalen ab und legte ihre Füße auf einen der niedrigen Tische. Ihre Beine waren schwer wie Blei, ihre Knöchel waren geschwollen – trotz Li Mu Bais Kräuterrezeptur. Sie fühlte sich matt und zerschlagen. Und das Kind in ihrem Bauch boxte und trat um sich, als wollte es sie für den Stress und die Hektik dieses Tages bestrafen.
    »Ganz ruhig, Kleines, ganz ruhig«, flüsterte sie und streichelte sich über den Bauch. Jetzt nur keine Wehen, das hätte ihr gerade noch gefehlt. »Ich verspreche dir, morgen wird es ruhiger für uns beide. Morgen werde ich brav sein. Ich werde einen Spaziergang machen und früh schlafen gehen und alles tun, was eine Schwangere kurz vor der Geburt tun sollte, um sich und ihr Kind zu schonen und keine vorzeitigen Wehen zu provozieren. Aber heute Nacht müssen wir beide noch einmal die Zähne zusammenbeißen. Wir müssen auf Maffeo aufpassen. Er darf nicht sterben. Das darf einfach nicht geschehen.«

15
     
     
     
    Maffeo starb nicht. Bereits im Laufe der Nacht, kurz nachdem Beatrice ihn ins Bett gebracht hatte, begann er, sich zu erholen. Das Fieber sank, sein Schlaf wurde ruhiger, er atmete langsamer und gleichmäßiger. Die Krise war überstanden, der Kohlebrei und die Wadenwickel schienen zu wirken.
    Beatrice war überrascht, als die alte Ming kurz vor Sonnenaufgang in ihr Zimmer kam. Wahrscheinlich war sie auf der Suche nach Maffeo, der sich ja nicht in seinen eigenen Gemächern aufhielt.
    Die Mundwinkel der alten Chinesin zogen sich sofort missbilligend nach unten, als sie Beatrice in ihren Kleidern vom Vortag auf dem Stuhl sitzen und Maffeo in ihrem Bett liegen sah. Doch Beatrice legte ihren Zeigefinger auf die Lippen, bevor Ming auch nur ein Wort sagen konnte.
    »Du darfst ihn nicht wecken. Er schläft. Er ist sehr erschöpft und soll ruhig noch ein paar Stunden schlafen.«
    »Erschöpft? Das glaube ich gerne«, erwiderte Ming leise und voller Verachtung. »Männer sind schwach. In seinem Alter hätte er sich nicht mit einer jungen Frau einlassen sollen.«
    Beatrice brauchte eine Weile, bis sie verstand, was Ming damit sagen wollte. Als sie es jedoch begriff, war sie so angewidert und entsetzt, dass es ihr erst einmal die Sprache verschlug. Wie konnte ein Mensch nur

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