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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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reden. Mein Bruder muss nichts davon erfahren. Wenigstens jetzt noch nicht.« Er seufzte. »Es ist gut, dass du es mir gesagt hast.«
    Er sah Beatrice an. Doch neben den Sorgenfalten, die sich auf seiner Stirn bildeten, war da ein tiefes, warmes Feuer, das seine grünen Augen zum Leuchten brachte. Es hatte beinahe den Anschein, als wäre trotz der Hiobsbotschaft eine schwere Last von seiner Seele genommen worden.
    Als sie Khubilais Gemächer erreichten, war Beatrice bereits neugierig darauf, wie sich die Wachen Dschinkim gegenüber verhalten würden. Sie erinnerte sich noch gut an die umständliche Prozedur, die sie in Shangdou über sich ergehen lassen musste, als sie mit Maffeo den großen Khan besucht hatte. Das Einzige, was gefehlt hatte, war die gründliche Leibesvisitation. Aber diesmal ging alles wie von selbst. Kaum dass sie in das Blickfeld der Wachen traten, nahmen die beiden Mongolen auch schon ihre Krummsäbel in die Hand und berührten mit der Klinge zu Dschinkims Ehren ihre Stirn. Ohne ein weiteres Wort, den Blick starr geradeaus gerichtet, ließen sie den Thronfolger und Beatrice an sich vorbei.
    »Und vergiss nicht«, sagte Dschinkim, als sie kurz darauf vor Khubilais Tür standen, »kein Wort über Maffeo und das Gift. Das bleibt vorerst unter uns.«
    Beatrice nickte. »Du kannst dich auf mich verlassen.«
    Sie folgte Dschinkim in das Zimmer des Khans und fühlte sich dabei wie eine zweite Mata Hari, mitten in einem Gewirr von Politik, Macht und Intrigen.
    Der Khan musste sie bereits sehnsüchtig erwartet haben, denn kaum hatten sie den Raum betreten, als er ihnen auch schon entgegenkam, dicht gefolgt von Tolui. Der junge Mann hatte hochrote Wangen, und seine Augen leuchteten erwartungsfroh.
    »Willkommen, Dschinkim, mein geliebter Bruder. Meine Jurte sei auch deine«, begrüßte Khubilai Dschinkim, umarmte ihn und küsste ihn auf beide Wangen.
    »Ich danke dir für deine Gastfreundschaft, Khubilai, mein Bruder und Gebieter. Mögen die Götter dir ein langes, glückliches Leben und zahlreiche gesunde Nachkommen schenken«, erwiderte Dschinkim. Und obgleich das nach einer der üblichen mongolischen Begrüßungsfloskeln klang, machte es den Eindruck, als ob sowohl Khubilai als auch sein Bruder ihre Worte ernst meinen würden.
    Dann wandte sich der Khan an Beatrice. »Sei auch du in meiner Jurte willkommen, Beatrice, Frau aus dem Norden des Abendlandes«, sagte er und legte ihr väterlich eine Hand auf die Schulter.
    Erst jetzt war Tolui an der Reihe. Er nannte Dschinkim »geliebten und geehrten Onkel«, verneigte sich vor ihm, nahm dessen linke Hand und führte sie an seine eigene Stirn. Dschinkim legte seinem Neffen die rechte Hand auf den Kopf. Dabei wurde sein Gesicht weich, fast zärtlich. Es bestand kein Zweifel daran, dass Dschinkim seinen Neffen fest ins Herz geschlossen hatte. Und als sich Tolui nun wieder aufrichtete und sich die beiden Männer einen kurzen Augenblick lang gegenüberstanden, fiel Beatrice auf, wie ähnlich sie einander tatsächlich waren. Sie hatten die gleichen grünen leuchtenden Augen, die gleiche stolze Haltung, das gleiche wohlgestaltete Profil. Die Ähnlichkeit war so groß, dass man fast den Eindruck gewinnen konnte, Tolui sei in Wirklichkeit nicht Khubilais, sondern Dschinkims Sohn.
    »Ich danke euch, dass ihr meine Bitte so rasch erfüllt habt und zu dieser ungewöhnlichen und frühen Stunde zu mir geeilt seid«, sagte Khubilai und beendete damit die Begrüßungszeremonie. »Aber setzt euch, macht es euch bequem.«
    Er nahm auf einem niedrigen sesselähnlichen, mit Fellen bedeckten Holzgestell Platz und deutete auf zwei weitere, die ihm gegenüberstanden. Tolui setzte sich neben ihn und warf etwas, das wie ein ungewöhnlich helles Kohlenstück aussah, in die offene Feuerstelle.
    Vorsichtig ließ Beatrice sich auf dem niedrigen Sitzmöbel nieder. Nur zögernd lehnte sie sich zurück in der Erwartung, gleich hintenüber zu fallen. Aber zu ihrer großen Überraschung hielt das Gestell der Belastung nicht nur stand, sondern war sogar überaus bequem, obwohl sie praktisch direkt auf dem Boden saß. Sie fragte sich nur jetzt schon, wie sie je wieder ohne Hilfe aufstehen sollte.
    Während die Männer eine Weile Höflichkeiten austauschten und über die Chancen einer Jagd in der nahen Umgebung Taitus plauderten, sah Beatrice sich in dem Zimmer um. Es war ein wirklich ungewöhnlicher Raum. Er war kreisrund, und genau in der Mitte, direkt über der Feuerstelle, gab es eine

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