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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Licht«, entgegnete Beatrice. Sie wollte etwas sagen, etwas, das diese Schwermut und Melancholie aus seinen Augen vertrieb. Sie konnte es nicht ertragen, ihn so zu sehen. »Vielleicht kommt ja alles ganz anders.«
    Doch Dschinkim schüttelte den Kopf. »Nein, ich weiß, dass ich recht habe. Ich habe die Zeichen gesehen.« Er machte eine kurze Pause. »An jenem Tag, als Maffeo und ich dich in der Steppe gefunden haben, waren wir auf der Jagd. Dabei wurde mein Adlerweibchen von einem riesigen Fuchs auf grausame Art getötet. Ich wusste sofort, dass es sich um ein böses Omen handelte, um ein Zeichen des Todes. Anfangs dachte ich, dass es ein Zeichen für Khubilais bevorstehendes Ende sei, doch dann zeigten die Götter mir im Traum, dass der Fuchs ein Symbol für die Chinesen war. Und wir Mongolen sind das Adlerweibchen.« In seinen grünen Augen funkelten Tränen. »Wir werden sterben, Beatrice. Schon bald wird das Volk der Mongolen nicht mehr sein. Und es gibt nichts, was das ändern könnte.«
    Beatrice schluckte. Noch ein Wort von Dschinkim, und sie würde anfangen zu heulen. Lag es daran, dass Dschinkim recht hatte, dass Khubilai das so offensichtlich Unerreichbare wollte und damit die Götter erzürnte? War Taitu nichts anderes als die mongolisch-chinesische Version des Turmbaus zu Babel?
    »Nein, du irrst dich. Das Volk der Mongolen wird nicht sterben«, sagte sie sanft. »In einem Punkt hast du allerdings recht, euer Reich, so wie ihr es jetzt kennt, wird nicht mehr lange bestehen. Die Chinesen werden euch tatsächlich vertreiben und dabei ihr eigenes Reich gründen. Aber es wird in Zukunft auch ein Reich der Mongolen geben, einen großen, weitläufigen Staat im Norden des chinesischen Reiches mit einer Hauptstadt, die Ulan Bator heißen wird. Ihr werdet dort nach euren eigenen Gesetzen und euren eigenen Traditionen leben. Und in der ganzen Welt werden Dschingis Khan und Khubilai Khan berühmte und geachtete Namen sein, von denen man auch in vielen hundert Jahren noch sprechen wird. Und Shangdou… Die ›Gläserne Stadt‹ wird zu einem Ort der Sagen und Märchen, einem Ort der Sehnsucht, an dem Träume wahr werden. Du siehst«, sie lächelte und legte ihm eine Hand auf den Arm, »das Volk der Mongolen wird nicht sterben. Es lebt weiter.«
    Dschinkim sah sie an. »Woher willst du das alles wissen?«, fragte er. Das Misstrauen war deutlich herauszuhören. »Kannst du in die Zukunft sehen? Bist du vielleicht doch eine Hexe, so wie ich es anfangs vermutet habe? Oder willst du mir lediglich aus Mitleid Trost spenden?« Er hob den Kopf. »Ich brauche deine Anteilnahme nicht.«
    »Ich weiß«, erwiderte Beatrice und schnappte mühsam nach Luft. Sie war entsetzt darüber, was sie eben alles erzählt hatte. Sie hatte geredet, ohne nachzudenken. Wie konnte sie nur so unvorsichtig sein und sich so gehen lassen? Genauso gut hätte sie Dschinkim gleich alles über den Stein der Fatima verraten können. Aber sie war nun schon zu weit gegangen. Wenn sie Dschinkims Vertrauen, das sie langsam und in mühevoller Arbeit errungen hatte, nicht gleich wieder verlieren wollte, durfte sie ihn auf gar keinen Fall mit einer billigen Ausrede abspeisen. Sie musste bei der Wahrheit bleiben, ob sie nun wollte oder nicht. »Ich will dich weder trösten, noch bin ich eine Hexe. Dennoch ist jedes Wort, das ich dir gesagt habe, wahr.«
    »Und wie soll ich dir glauben?«
    Beatrice biss sich auf die Lippe. Wie sollte sie es ihm erklären, ohne zu viel zu verraten?
    Das hättest du dir besser vorher überlegen sollen, schalt sie sich. Jetzt bring die Sache zu Ende und halt das nächste Mal einfach den Mund.
    »Du selbst hast vorhin von Maffeos Geheimnis gesprochen«, begann sie langsam. »Außerdem hast du die Vermutung geäußert, dass ich auch davon weiß. Du hast recht. Ich kenne Maffeos Geheimnis, ich teile es mit ihm. Und dieses Geheimnis offenbart mir manchmal Dinge, die anderen Menschen verborgen bleiben.«
    Ihr Herz klopfte bis zum Hals, während sie auf Dschinkims Entgegnung wartete. Sie konnte nur hoffen, dass er sie akzeptierte, ohne tiefer zu bohren und noch mehr unangenehme Fragen zu stellen.
    »Und mein Volk wird nicht untergehen?« Er sah sie an, als würde sein Leben von ihrer Antwort abhängen.
    »Nein. Noch in Hunderten von Jahren werden Mongolen Pferde züchten, die Falknerei betreiben und in der Steppe Reiterwettkämpfe austragen.«
    »Das Nadam-Fest wird es weiterhin geben? Die Sieger der Ringkämpfe werden ihre Adlertänze

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