Das Rätsel der Fatima
nicht Vater. Ich bin ein Narr, ein Tor. Ein Dummkopf, der an das Gute im Menschen geglaubt hat. Aber das ist jetzt vorbei. Jetzt werde ich…«
»Aber Vater, hör doch!«, unterbrach ihn Tolui. Er schluchzte und rang seine Hände. »Bitte, hör, was wir dir zu sagen haben. Beatrice hat etwas entdeckt. Es scheint, als wäre Maffeo Polo unschuldig.«
»Gerne würde ich das glauben, aber…« Khubilai sah Beatrice an. In seinen dunklen Augen wechselten Hoffnung und Zweifel einander ab. Dschinkims Tod steckte wie ein vergifteter Pfeil im Herzen dieses Mannes. »Nun gut, so rede, Weib!«, sagte er schließlich und ließ sich müde auf seinen Thron sinken. »Zu verlieren habe ich ohnehin nichts mehr.«
Und Beatrice erzählte.
Sie erzählte von dem wenigen Blut auf der Brust des Dieners und von der in Wahrheit tödlichen Wunde am Hinterkopf, die sie schließlich gefunden hatte.
»Und, was soll das alles bedeuten?«
»Es liegt doch auf der Hand, dass jemand den Diener von hinten erstochen hat und ihn dann auf das Bett legte, damit es so aussieht, als hätte er aus Gram über seine Tat seinem Leben selbst ein Ende gesetzt.«
»Und weshalb kann Maffeo dies nicht ersonnen haben?«
»Weil er ein Kaufmann ist. Maffeo Polo mag in der Lage sein, Bilanzen zu fälschen. Er könnte auch giftige Pilze erstehen. Aber über das Wissen eines Meuchelmörders verfügt er bestimmt nicht«, erwiderte Beatrice. »Der Mörder hingegen wusste ganz genau, wie man einen Menschen schnell und lautlos tötet. Seine Vorgehensweise zeigt, dass er Erfahrung darin hat. Wer auch immer den Diener und auch Dschinkim getötet hat, ist ein gedungener Mörder, ein Attentäter. Jemand, der schon mehr als einen Mord auf dem Gewissen hat.«
»Und warum sollte er den harmlosen Diener töten wollen?«
»Damit dieser unter der Folter nicht mit der Wahrheit herausrückt, nämlich mit der Wahrheit, dass ihm nicht Maffeo den Korb mit den Pilzen gegeben hatte, sondern jemand anders. Und dass er dafür bestochen wurde.« Beatrice lächelte, als sie ihren letzten Trumpf hervorholte. »Der Diener trug bei seinem Tod neue Schuhe. Teure Schuhe aus kostbarer purpurfarbener Seide, eines Königs würdig. Ich bin sicher, wenn Ihr Taijin befragt, so wird er sich daran erinnern, dass der Diener diese Schuhe bereits trug, als er den Korb mit den Pilzen zu Dschinkim brachte. Es dürfte auch ohne Schwierigkeiten möglich sein, herauszufinden, wann und wo die Schuhe gekauft worden sind. Und ich verwette meinen rechten Arm, dass es nicht Maffeo war, der ihm die Schuhe gekauft hat.«
Khubilai sprang auf und begann aufgeregt vor seinem Thron hin und her zu laufen.
»Deine Geschichte klingt einleuchtend. Aber einen Haken hat sie doch«, erklärte er schließlich und blieb direkt vor Beatrice stehen. »Nehmen wir an, es ist so, wie du sagst. Der Diener bekam ein Bestechungsgeld dafür, dass er die Pilze brachte und Taijin erzählte, sie seien ein Geschenk von Maffeo. Weshalb war dieser Kerl dann so dumm, die Schuhe zu tragen, die er von dem Blutgeld gekauft hat? Er müsste doch wissen, dass sie an einem Diener auffallen würden.«
Beatrice zuckte mit den Schultern. »Derjenige, der ihn bestochen hat, hat natürlich nicht erwähnt, dass die Pilze Dschinkim den Tod bringen und Maffeo erheblich schaden würden. Vermutlich hat er einfach gesagt, dass er sowohl Dschinkim als auch Maffeo ganz unauffällig einen Freundschaftsdienst erweisen wolle. Und wenn es sich bei dem Unbekannten noch dazu um eine hochgestellte Persönlichkeit gehandelt hat, welchen Grund sollte der Diener gehabt haben, diesen Worten nicht zu trauen?«
Khubilai nickte nachdenklich. »Warum nur ist mir das nicht auch eingefallen?« Er schüttelte den Kopf. »Es klingt, als könnte es gar nicht anders gewesen sein.«
»Es muss so gewesen sein«, sagte Beatrice voller Überzeugung. »Denn eines habt Ihr noch nicht bedacht, großer Khan. Maffeo ist ein ehrlicher, rechtschaffener Mann. Er lebt nicht jahrelang an Eurem Hof, um dann seinen besten Freund umzubringen. Dazu wäre er gar nicht fähig, das widerspricht seinem Charakter. Allerdings hatte ich damit gerechnet, dass Ihr das auch wisst.«
Khubilai holte tief Luft. »Du hast mir eine Lehre erteilt, Beatrice, Frau aus dem Norden des Abendlandes. Und ich werde sie so schnell nicht vergessen.« Er nickte. »Du hast recht. Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte wissen müssen, dass Maffeo unschuldig ist. Dass er lieber selbst sterben würde, als meinem Bruder,
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