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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Gruben führten.
    Oft musste der Mongole stehen bleiben und einen geheimen Hebel betätigen, damit sie gefahrlos eine Falltür passieren konnten. Als wollten sie dieses Horrorszenario noch untermalen, drangen aus den Tiefen des Kerkers die qualvollen Schreie von Gefolterten zu ihnen.
    Sie gingen vorbei an zahllosen Türen aus dickem schwarzen eisenbeschlagenen Holz. Selbst wenn es einem der Gefangenen jemals gelingen sollte, diese Türen zu öffnen – die Dunkelheit, das labyrinthartige Gangsystem, die zahlreichen Fallen, Sackgassen und Gruben würden jede Flucht vereiteln. Aus diesem Gefängnis gab es kein Entrinnen. Dies hier war die Hölle.
    Die Gefangenen hämmerten gegen das Holz ihrer Zellentüren.
    Ohne Zweifel konnten sie die Schritte des Wärters und seiner Begleiter hören, vermutlich sogar durch Türritzen und Astlöcher den Schein ihrer Fackeln sehen. Sie schrien um Gnade, beteuerten ihre Unschuld oder verfluchten alles auf Gottes Erdboden, das im Gegensatz zu ihnen frei herumlaufen konnte. Ihre kreischenden, kaum noch menschlichen Stimmen überschlugen sich fast und verfolgten sie, bis sie außer Hörweite waren. Am schlimmsten fand Beatrice jedoch jene Zelltüren, hinter denen sich gar nichts regte. Waren sie leer, oder befanden sich dahinter Menschen, die bereits resigniert und jede Hoffnung auf Befreiung aufgegeben hatten? Oder waren die Zelleninsassen schon tot? Gestorben vor Hunger und Verzweiflung, qualvoll verreckt an letztlich banalen Infektionen?
    Schaudernd dachte Beatrice an ihre Kerkerhaft in Buchara zurück.
    Es waren lediglich ein paar Tage gewesen, nicht mehr als acht oder zehn, die sie in völliger Dunkelheit und Isolation hatte verbringen müssen. Und doch war sie innerhalb dieser kurzen Zeit fast verrückt geworden. Und die Dunkelheit des Kerkers, die Stille verfolgten sie immer noch in ihren schlimmsten Albträumen.
    »Wir sind da«, sagte der Wärter und blieb endlich vor einer Tür stehen.
    Beatrice hatte schon lange die Orientierung im Labyrinth des Kerkers verloren. Trotzdem war sie sicher, dass sie sich jetzt an seinem tiefsten und abscheulichsten Punkt aufhielten. Die Wände waren feucht, und es stank nach Schimmel, nach Urin, Kot und noch schlimmeren Dingen. Hier konnte man sich wirklich vorstellen, dass hinter einigen der Zelltüren unbemerkt verwesende Leichen lagen. Und die Schreie der Gequälten waren hier so laut, dass Beatrice glaubte, hinter dieser Tür würde sich die Folterkammer befinden. Ihr wurde schlecht, und nur unter äußerster Willensanstrengung schaffte sie es, sich nicht zu übergeben.
    Der Wärter holte einen Schlüsselbund hervor und öffnete das riesige, mit Dornen gespickte Schloss.
    »Geht hinein«, sagte er und trat zur Seite. »Aber seid vorsichtig, dass Ihr das Schloss nicht berührt, denn die Dornen sind mit Gift getränkt. Ich überlasse Euch zwei Fackeln und werde vor der Tür auf Euch warten. Denn allein findet Ihr niemals den Weg aus dem Kerker.«
    »Wenn du einen Gott hast«, flüsterte Khubilai Beatrice ins Ohr, »dann bete jetzt zu ihm, dass wir nicht zu spät kommen.«
    Die Tür öffnete sich mit einem abscheulichen Quietschen, das laut von den Wänden widerhallte. Und dann betraten sie die Zelle.
    Mit angezogenen Knien kauerte Maffeo auf dem Boden. Er zitterte und verbarg sein Gesicht in seinen Händen. Das Schwert, das seinem Leiden ein Ende bereiten sollte, lag unbeachtet und – zum Glück – ungenutzt zu seinen Füßen. Eigentlich hatte er sich zusammennehmen und stark sein wollen. Doch nach allem, was er in den vergangenen Stunden durchgemacht hatte, nach allem, was ihm Khubilai, Tolui und Beatrice erzählt hatten, konnte er jetzt nicht mehr anders.
    Wie Sturzbäche liefen ihm die Tränen über das Gesicht, und er schluchzte wie ein kleiner Junge. Vor Erleichterung – aber auch vor Trauer.
    Khubilai saß neben ihm auf dem Boden, mitten im schimmligen Stroh, in dem es vor Ungeziefer nur so wimmelte, ohne auf seine kostbare kaiserliche Kleidung zu achten.
    »Was ich getan habe, ist unentschuldbar«, sagte Khubilai leise und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Trotzdem hoffe ich von ganzem Herzen, dass es dir eines Tages gelingen möge, mir zu verzeihen.«
    »Verzeihen?« Maffeo hob sein Gesicht. »Ich habe dir vom ersten Augenblick an verziehen, Khubilai. Ich kann dich verstehen. Wäre Dschinkim mein Bruder, ich hätte kaum anders gehandelt. Allerdings bin ich überglücklich, dass dieser furchtbare Verdacht nicht länger auf mir lastet.

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