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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Hartgesottenste erst einmal gewöhnen musste.
    Morgen früh kannst du immer noch darüber nachdenken, wie du damit umgehst, sagte eine innere Stimme zu ihr. Jetzt ist es dunkel. Sei vernünftig, dreh dich um und schlaf weiter.
    Das war die Stimme einer Frau, die praktisch und rational dachte und sich durch nichts, wie verrückt ihre Lage auch sein mochte, erschüttern ließ. Doch gehörte diese Stimme wirklich zu ihr? Oder war das der Einfluss des Steins, der mittlerweile sogar zu ihr sprach und ihr Mut machen wollte? Vielleicht befand sie sich aber auch auf der letzten Stufe zum Wahnsinn. Oder wie ließ sich sonst erklären, dass sie dies alles als völlig real und natürlich akzeptierte und in ihr Leben integrierte, als wäre nichts weiter passiert. Eine Kleinigkeit eben. Jobwechsel, Wohnungswechsel, Ortswechsel. Das war in ihrem Leben eigentlich seit zehn Jahren normal. Und jetzt auch noch Zeitenwechsel. Was war schon dabei? Schließlich war es bereits das zweite Mal, erst ein Harem im Mittelalter, jetzt eben China – na und? Das Ganze war so aberwitzig, so absurd und fantastisch, dass es bei näherer Betrachtung eigentlich nur aus der Feder von Schriftstellern und Drehbuchautoren stammen konnte.
    Wer auch immer diese Frau sein mag, die da zu mir spricht, dachte Beatrice, gähnte und drehte sich auf die Seite, sie hat recht.
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und eine Gestalt huschte mit schnellen kleinen Schritten durch ihr Zimmer. In dem weiten, bodenlangen, hellen Gewand hatte sie Ähnlichkeit mit einem Gespenst. Doch was war das für ein Geist, der sich an den Fenstern zu schaffen machte und die Vorhänge öffnete?
    Eisige Morgenluft wehte herein. Fröstelnd zog Beatrice ihre Decke bis zum Kinn. Sie hatte überhaupt keine Lust, aufzustehen. Sie war müde, es war lausig kalt, und außerdem war es da draußen noch nicht einmal richtig hell. Sie schloss die Augen und rührte sich nicht. Ihre Erfahrungen im Harem des Emirs von Buchara hatten gezeigt, dass sich Diener meistens wieder verscheuchen ließen, wenn man sie gar nicht beachtete. Allerdings schien der Geist hier im Zimmer von dieser Regel noch nichts gehört zu haben.
    Die trippelnden Schritte näherten sich dem Bett, und das zarte, feine Klingeln von Porzellan drang an Beatrices Ohr. Dann berührte eine Hand, leicht, sanft und kühl wie eine Schneeflocke, ihren Arm, und eine leise Stimme sagte etwas in einer Sprache, die Beatrice nur mit großer Mühe als Arabisch identifizieren konnte.
    Unwillig hob sie den Kopf. Eine kleine Frau, bekleidet mit einer weiten weißen Hose und einem ebenso weiten, am Hals fest geschlossenen Obergewand, stand vor ihr und verneigte sich. Ob das die Chinesin war, von der Maffeo gestern gesprochen hatte? Allerdings konnte sie sich beim besten Willen nicht mehr an ihren Namen erinnern.
    »Zeit für Aufstehen«, sagte die Frau in gebrochenem Arabisch und mit einem so starken Akzent, dass Beatrice sie kaum verstehen konnte.
    Sie drehte sich auf den Rücken, streckte sich und rieb sich die Augen.
    »Jetzt schon? Es ist doch noch mitten in der Nacht!«
    »Nein«, erwiderte die Frau und lächelte. Wenn Falten im Gesicht eines Menschen die Bedeutung von Jahresringen hätten, Beatrice hätte das Alter der Chinesin auf mindestens hundertzwanzig geschätzt. Aber etwas stimmte nicht. Da war etwas… »Sonne geht schon auf.«
    Tatsächlich. Die Sterne begannen allmählich zu verblassen, und das Stück Himmel, das sie von ihrem Bett aus sehen konnte, war nicht mehr nachtschwarz, sondern dunkelblau mit einem Hauch von Silber. Aber wie spät mochte es wohl sein? Fünf Uhr? Bestenfalls sechs. Auf alle Fälle war es viel zu früh für jemanden, der nicht arbeiten musste. Trotzdem setzte Beatrice sich im Bett auf. Sie war hier Gast. Und die Höflichkeit verlangte es, sich nach dem hier üblichen Tagesablauf zu richten.
    Die alte Frau stellte ein Tablett auf einen Tisch neben das Bett. Fasziniert betrachtete Beatrice das Geschirr. Es waren drei Schalen aus feinem Porzellan in unterschiedlichen Größen mit dazu passenden Deckeln. Jede der Schalen war in einer anderen Farbe glasiert – hellgrün, hellblau und braun. Sie waren schlicht und bestechend schön, eine Augenweide für jeden Puristen oder Liebhaber der Zen-Kultur. Ohne Weiteres hätten diese drei Schalen das Werk eines Topdesigners des späten 20. Jahrhunderts sein können.
    »Essen«, sagte die Alte. »Du musst essen. Gut für dich und dein Kind.«
    Sie hob die Deckel und

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