Das Rätsel der Hibiskus-Brosche
dem Gedanken, sich schon wieder am Schauplatz eines Mordes aufzuhalten.«
»Eins steht jedenfalls fest«, erwiderte der Inspektor sanft, »Mrs. Wharton muß in ein anderes Hotel. Hier wäre es unmöglich für sie. Übrigens, wir sind hier auch nur geduldet. Sie selbst, denke ich, können hier schon unterkommen; Sie sind ja sozusagen in halbamtlicher Eigenschaft da. Aber für eine Dame ist das nichts. Es gibt ein sehr schönes Hotel zehn Meilen von hier entfernt. Dort kann Mrs. Wharton bleiben. Das wird ihr gefallen. Gute Verpflegung und ausgezeichnete Bedienung!«
Wright unterdrückte ein boshaftes Lächeln — er freute sich, daß er wenigstens das Schlimmste abgewendet hatte.
Es war erst Mittag, als Jim erschien. Jim war allein; mit einem verschmitzten Grinsen erklärte er, daß er Mrs. Wharton schon in »Siedlers Wappen« abgesetzt hätte.
»Aber Sie haben sich einen traurigen Flecken ausgesucht! Sieht nicht danach aus, als lohnte es sich, den Gastwirt um der Ladenkasse willen zu ermorden.«
»Da sind Sie auf dem Holzweg. Mrs. Cox machte ein ausgezeichnetes Geschäft, meistens allerdings außerhalb des Erlaubten. Spielen, Handel zu verbotener Stunde, Ausschank von Alkohol an Jugendliche.«
»Scheint eine feine Person gewesen zu sein!«
»Stimmt. Sie war auch nicht beliebt. Ehefrauen fürchteten, daß ihre Männer verführt würden, und Mütter jammerten, daß ihre Söhne auf die schiefe Bahn kämen.«
»Kurz und gut, keiner vermißt sie. Aber mit dem Mädchen ist das etwas anderes?«
»Ja. Was kann ihr nur zugestoßen sein? Das ist eine verfluchte Geschichte! Was war der Grund? Gab es vielleicht irgend etwas in den Ferientagen in Honolulu, womit sich ihr Verschwinden erklären ließe? Ihre Mutter sagt: nein!«
»Das sagen Mütter immer.«
»In diesem Falle bin ich doch geneigt, ihr recht zu geben. Dafür ist Beth eigentlich nicht der Typ. Hübsch, zufrieden, ein bißchen oberflächlich; genau die Art, die Männer mögen. Sie war keine >femme fatale<, die einen Mord provoziert.«
»Könnte sie sich mit einer Verbrecherbande eingelassen haben? Rauschgift-Schmuggel oder so etwas?«
»Ach, Sie lesen zu viele Krimis! Wie sollte sie zu solchen Verbindungen kommen? Sie ist ausgesprochen korrekt. Außerdem kann sie nichts für sich behalten, wenn es um etwas Ungewöhnliches oder Aufregendes geht. Sie hätte sich bestimmt verplappert!«
»Ihrer Mutter gegenüber?«
»Ja! Ausnahmen bestätigen die Regel. Die beiden waren ein Herz und eine Seele.«
»Was ist mit dem Freund? Könnte der vielleicht damit zu tun haben?«
»Kein Gedanke! Obwohl er irgendwie in diese Mordsache verwickelt zu sein scheint — vielleicht daß er jemanden deckt. Ich sollte Ihnen das noch etwas näher erläutern, während das Mädchen uns das Essen bringt. Sie finden den Haken an der Geschichte vielleicht heraus. Denn natürlich stimmt da irgend etwas nicht — Mord, Einbruch, ein Mensch verschwindet. Da kommt zuviel zusammen — in einer einzigen Woche an einem so kleinen Ort!«
»Sieht aus, als wenn sich hier eine Gangsterbande eingenistet hätte. Laufen verdächtige Fremde herum?«
»Niemand. Nur ein argentinischer Viehkäufer. Er ist völlig in Ordnung, wie die Farmer sagen, bei denen er vorgesprochen hat. Er war auf der Jagd zeitweise bei dem Mädchen, verlor sie aber aus den Augen, als sein Pferd auf einmal durchging. Aber zunächstmal zu diesem Mord.« Wright gab Jim einen Bericht über das letzte Ereignis, bei dem sie bis jetzt noch keinen Schritt weitergekommen waren.
»Da steckt der Teufel drin! Ich halte nicht viel von den dreien, die ich bis jetzt verdächtige, aber ich finde niemanden sonst. Und es gibt absolut keine Hinweise.«
»Eigentlich müßte man dankbar dafür sein. Lassen Sie uns Ihre Verdächtigen noch einmal durchgehen: der Ehemann, der alte Nicol, den Mrs. Wharton ja besuchen will — der Himmel sei ihm gnädig! — , und schließlich der junge Reynolds. Und was ist mit dem jungen Sutherland? Der war doch immer ziemlich knapp an Geld. Übrigens wundere ich mich, wo er in der Nacht war, als das Schulgeld verschwunden ist. Er konnte doch keine Erklärung beibringen?«
»Nein, und er schien auch nicht geneigt zu sein, sich um ein Alibi zu bemühen. Es ist freilich ein bißchen schwer, sich vorzustellen, daß der Junge ins eigene Haus einbricht und seiner Mutter das Geld klaut, auf das sie aufpassen soll. Die Familie ist sehr christlich gesinnt. Übrigens, wenn er wirklich hinter dem Geld her war, dann hätte
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