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Das Rätsel der Hibiskus-Brosche

Das Rätsel der Hibiskus-Brosche

Titel: Das Rätsel der Hibiskus-Brosche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott - Joyce West
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vertrauen. Sie würden sie finden! Die Polizei gab nicht auf. Menschen verschwanden nicht einfach, konnten nicht einfach verschwinden.
    Aber während sie sich das sagte, mußte sie an andere unaufgeklärte Fälle denken, wo ebenfalls Menschen spurlos verschwunden waren. Aber nein, verbesserte sie sich schnell. An einem so friedlichen Ort auf dem Lande, wo jeder jeden kannte, wo ihre Beth so beliebt war und wo die Leute nett und freundlich waren... Und doch: ein Mord war geschehen. Es war ein furchtbarer Gedanke. Um sich abzulenken, beschäftigte sich Mrs. Sutherland unablässig in ihrem Haushalt. Sie versuchte, sich durch körperliche Erschöpfung zu betäuben, so daß ihr Geist schließlich gezwungen würde, etwas auszuruhen.
    Sie war gerade dabei, ihren Wäscheschrank gründlich aufzuräumen, als am zweiten Tag nach der Jagd morgens um zehn Uhr leise an ihrer Haustür geklopft wurde. Alice seufzte. Immerzu war irgend jemand an der Tür, jemand, der seine Hilfe anbot, jemand, der einfach kam, um ihr zu sagen, wie traurig sie wären, wie zuversichtlich, oder auch daß alles noch gut werden würde. Alice begegnete all diesen Menschen mit ruhiger Dankbarkeit. Dabei zeigte sie so wenig Erregung, daß, wer sie nicht gut kannte, sie für kühl, ja für gefühllos hätte halten können.
    Diesmal war es ein Unbekannter, ein großer, gutaussehender junger Mann mit glattem, blondem Haar und einem freundlichen Lächeln. Er sagte: »Mrs. Sutherland? Könnte ich wohl Beth sprechen?«
    »Beth? Aber haben Sie nicht gehört?« Ihre Stimme schwankte, doch sie sah ihn freundlich an. Wie war es möglich, daß er nichts gehört hatte? Der Rundfunk, der Mann auf der Straße, alle waren betroffen von der Affäre um »das verschwundene Mädchen«. Sie erwiderte: »Beth ist nicht hier. Es ist etwas mit ihr passiert — wir wissen allerdings nicht was.«
    Er fuhr bestürzt zurück. »Es ist Beth etwas passiert? Was denn um Gottes willen?«
    »Wollen Sie nicht hereinkommen und sich setzen? Sie sind...?«
    »Ich bin Bruce Ellis. Ich habe Beth in Honolulu kennengelernt. Wir sind zusammen ausgegangen. Sie gab mir ihre Adresse. Wir — wir waren gute Freunde.«
    »Ja, ich weiß. Beth hat mir davon erzählt. Sie haben mitgeholfen, ihre Ferien richtig schön zu gestalten.«
    Ihre Stimme zitterte, und Bruce sagte rasch: »Mrs. Sutherland, bitte erzählen Sie mir, was passiert ist.«
    Sie berichtete ihm in wenigen Sätzen, was vorgefallen war. Sie redete ruhig und beherrscht, aber der junge Mann konnte die verzweifelte Angst heraushören, die hinter ihren Worten stand.
    »Ich muß helfen! Ich muß es!« erklärte er. »Beth ist so ein... ein großartiges Mädchen! Wo, sagten Sie, hält sich der Inspektor auf? Wo ist der Mann, den man fragen kann?«
    In diesem Augenblick hörte man Schritte auf der Veranda, und Bill Reynolds erschien. Neuerdings hatte er sich angewöhnt, ohne anzuklopfen in die Küche zu kommen, was ein deutliches Zeichen für seine Geistesverfassung war. Bill war nämlich immer sehr für gute Umgangsformen gewesen, und obwohl der Haushalt der Sutherlands seit vielen Jahren für ihn ein zweites Zuhause war, hatte er sich immer streng an die Konvention gehalten. Aber jetzt war das alles vergessen. Alles war weggeschwemmt von dieser quälenden Angst, die ihn weder ruhen noch wirklich vernünftig denken ließ.
    Er fragte: »Nichts Neues?« und stockte, als er den Fremden erblickte.
    Alice schüttelte den Kopf. »Nichts, Bill. Das ist Bruce Ellis. Du erinnerst dich doch? Mit dem Beth in Honolulu Freundschaft geschlossen hat.«
    Bill erinnerte sich nur zu gut. Er erinnerte sich an die blöde Eifersucht, die ihn veranlaßt hatte, während des Tanzes mit Beth herumzunörgeln, dem letzten Tanz, den sie zusammen getanzt hatten; er erinnerte sich auch an die Brosche, die Bruce ihr gegeben und die Vida Cox triumphierend davongetragen hatte, und fragte sich, was wohl damit geschehen war.
    Der Fremde streckte seine Hand aus, und die Blicke der beiden Männer begegneten sich. Jeder fand, was er sah, sympathisch. Bill dachte: Der Bursche sieht anständig aus. Das ist kein Weiberheld, sondern ein ordentlicher, freundlicher Junge.
    Bruce dachte: Das ist also der Bill Reynolds, den sie so oft erwähnt hat. Armer Teufel, es hat ihn bös getroffen.
    Er war es auch, der die ersten Worte fand, wenngleich stockend und mit großer Mühe. Denn wie kann man mit einem Mann über das Verschwinden eines Mädchens reden, das der andere so ganz offenkundig liebt?

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