Das Rätsel der Templer - Roman
Kopfschmerzen durchzuckten seine Stirn. Hinzu
gesellte sich eine kaum zu ertragende Übelkeit, die mit einem unangenehmen Schwindelgefühl einherging. Sein erster Gedanke
war Flucht. Tastend fuhren seine Finger über weiches Leinen und eine wärmende |289| Decke, die einen unbekannten Duft verströmte. Vorsichtig versuchte er seine Beine zu strecken. Auf dem Schlachtfeld galt die
Regel, erlangte jemand nach einer Verwundung das Bewusstsein wieder, so sollte er zunächst die Beweglichkeit der Beine überprüfen.
Beruhigt registrierte er, dass das Ausstrecken und Anwinkeln der Unterschenkel keine besondere Herausforderung darstellte.
Auch Arme und Hände gehorchten seinen Befehlen. Jemand musste ihn entkleidet haben. Mit Sicherheit keiner seiner Kameraden,
denn man hatte ihm nicht einmal seine Unterhose gelassen. Vorsichtig zog er unter der Decke das dünne Leinenhemd hoch. Schauergeschichten
von Kreuzrittern, die während der Kämpfe bewusstlos wurden und nach ihrer Gefangennahme als Eunuchen erwachten, ließen keinen
Krieger kalt, selbst wenn er ein Keuschheitsgelübde abgelegt hatte. Obwohl alles unversehrt zu sein schien, war irgendetwas
beunruhigend anders.
Neben seinen Genitalien erfasste er einen Gegenstand, den er überhaupt nicht einzuordnen vermochte. Unverzüglich schoss ihm
eine panikartige Hitze in die Adern. Mit großer Anstrengung richtete er sich auf. Als er sich mit der linken Hand die Bettdecke
wegziehen wollte, verspürte er einen schmerzhaften Widerstand. Sein Blick fiel auf ein kleines, weißes Stück Stoff, das auf
seinem Handrücken klebte. Wie von Sinnen riss er daran und zog gleichzeitig einen fingerlangen, nadeldünnen, gläsernen Wurm
heraus, der wie eine Lanzette beim Aderlass unter der Haut gesteckt hatte. Sofort rann Blut in einem breiten Rinnsal an seinem
Mittelfinger herab und tropfte zu Boden. Hastig wischte er sich den blutenden Handrücken am Bettzeug ab. Gehetzt blickte er
um sich, und sein Herz klopfte wie wild, als er daran ging, mit einem Ruck endgültig die Bettdecke zu entfernen.
Vor Schreck hielt Gero die Luft an. In seinem Penis steckte ebenfalls eine gläserne Schnur, die unterhalb der Matratze verschwand.
Er überlegte nicht lange, ob er sich bei seiner nächsten Handlung womöglich ernsthaft verletzen konnte, sein einziger Impuls
bestand darin, dieses Teufelszeug loszuwerden, und zwar so schnell wie möglich. Entschlossen riss er an dem gläsernen Fortsatz.
Sofort durchzuckte ihn ein furchtbarer Schmerz. Es war, als ob sich die durchsichtige Schlange in seinem Innern festgekrallt
hätte. Tapfer biss er die |290| Zähne zusammen, während sich sein malträtiertes Glied in die Länge zog. Plötzlich gab die Schlange nach. Mit einem Ruck erschien
der Kopf des gläsernen Wurms und landete zwischen seinen bloßen Schenkeln. Angewidert wich Gero zurück und starrte furchtsam
auf das weiße Laken, wo sich eine kleine Lache von Blut und Urin ausbreitete. Panisch umfasste er sein bestes Stück, und nur
langsam verebbte der pulsierende Schmerz.
Verdammt, in was für eine Hölle war er hier geraten! Der Templer traute sich kaum, sein Augenmerk auf seinen restlichen Leib
und das ihn umgebenden Zimmer zu richten. Er war aufs äußerste beunruhigt, ob er vielleicht noch mit erheblich mehr dämonischem
Machwerk zu rechnen hatte. Aber es half nichts! Wenn er wissen wollte, wo er sich befand und was das alles zu bedeuten hatte,
musste er sich orientieren.
Auf den ersten Blick sah die Umgebung harmlos aus. Die Wände waren weiß getüncht, und die Umgebung schien ordentlich und sauber.
Doch längst nicht alles kam ihm bekannt vor. Über ihm leuchtete ein gleißend heller Schein an der Zimmerdecke, welcher ihm
in den Augen schmerzte wie aufgehendes Sonnenlicht. Es gab weder Kerzen noch eine Feuerstelle. Auch die Möbel erschienen ihm
sonderbar: Tische und Stühle aus Stahl. Ebenso das Bettgerüst. Der Fußboden schimmerte glatt und glänzend und war weder aus
Holz noch aus Stein. Bevor Gero allen Mut zusammennahm und seine nackten Füße auf den unbekannten Untergrund setzte, zog er
sich das Hemd herunter. In wenigen Schritten erreichte er ein großes Fenster. Das hereinfallende Tageslicht bestätigte ihm,
dass der Abend noch fern war. Vorsichtig streckte er die Hand aus und betastete beeindruckt die gläserne Scheibe. Sie war
ungewöhnlich groß und aus einem Guss. Feines, weißes Glas, wie die Oberfläche eines kostbaren
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