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Das Rätsel der Templer - Roman

Titel: Das Rätsel der Templer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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unscheinbaren Hinweis. Hannah hatte versucht, ihn schonend darauf vorzubereiten, dass von dem Heisterbach, wie er es kannte,
     nicht mehr viel übrig geblieben war.
    Nach einer wechselvollen Geschichte war die ehemals riesige Kirche, die sich in ihrer Blütezeit durchaus mit dem Kölner Dom
     vergleichen durfte und die das Zentrum der Abtei gebildet hatte, im Jahre 1802 einer franzischen Invasion zum Opfer gefallen.
     Die Franzosen hatten das Gebäude respektlos zu einem Steinbruch erklärt. Wie durch ein Wunder war die Chorapsis erhalten geblieben.
    Ein breiter Weg führte zu einem weitläufigen Gelände mit alten Bäumen und mehreren großen steinernen Markierungen. Am hinteren
     Ende der Anlage ragte die sakrale Ruine über einer exakt geschnittenen Rasenfläche empor.
    Gero drehte sich abermals der Magen um. Ergriffen wandte er sich ab, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Während
     Hannah auf ihn wartete, marschierten Tom und Paul, gefolgt von Anselm, zielstrebig in Richtung Ruine. Matthäus, der etwas
     Interessantes entdeckt zu haben schien, lief indessen zum angrenzenden Wald hin.
    |452| »Ich wüsste zu gern, wie es früher hier ausgesehen hat.« Hannah schaute Gero auffordernd an. Er dachte einen Moment lang darüber
     nach, dass es beinahe unmöglich war, angesichts dieses Elends die Fülle und Herrlichkeit der alten Abtei glaubhaft zu schildern.
     »Ich will versuchen, es dir zu beschreiben …«, antwortete er, während seine Augen unentwegt die Umgebung abtasteten. »Ich
     erinnere mich noch gut, wie ich das erste Mal hier war. Am zweiten Tag des Aprils im Jahre des Herrn 1297 sind mein Vater
     und ich zusammen mit vier anderen Rittern und acht Zisterzienserbrüdern hier angekommen. Sieben Tage zuvor am Hochfest Mariä
     Verkündigung – meinem siebzehnten Geburtstag – war ich zum Ritter geschlagen worden. Wir haben den Brüdern im Auftrag des
     Erzbischofs von Trier Geleitschutz geboten, und ich war ziemlich stolz, dass ich dabei sein durfte.«
    Wie von Zauberhand rekonstruierten sich vor seinem geistigen Auge Mauern und Wälle, ein Refektorium und ein darüber liegendes
     Dormitorium – Räume, in denen die Mönche arbeiteten und schliefen. Als wäre es gestern gewesen, durchstreifte Gero in Gedanken
     die weitläufigen Speisesäle und das geräumige Scriptorium mit seiner faszinierenden Fülle an Büchern und Schriften. Und alles
     wurde überschattet von einer beeindruckend großen Kirche, die man nach dem Idealplan der Zisterzienser errichtet hatte. Das
     Gotteshaus hatte die Gläubigen aus der ganzen Gegend angezogen. Mit einem Mal füllte sich die Szenerie mit Leben. Wie aus
     einem Nebel des Vergessens tauchten in hellgraue Kutten gehüllte Gestalten auf. Mit steif gefrorenen Fingern hielten sie die
     Fackeln, während sie in Zweierreihen dem Ruf der Vigilien folgten, jenem Gebet, das einem weit nach Mitternacht den Schlaf
     raubte und einen erst wieder im Morgengrauen aus der Pflicht entließ. Im Dunkel der Nacht schlurften sie, die Füße in ausgetretenen
     Sandalen und wollenen Socken, in einem eigentümlichen Takt auf feuchtkalten Böden dahin. Die Schultern vor Kälte hochgezogen,
     die Gesichter tief vergraben in ihren Kapuzen. In Gedanken wurde Gero immer noch von der bleiernen Müdigkeit verfolgt, die
     er früh um vier an der Seite seines strengen Vaters empfunden hatte, der wie selbstverständlich darauf bestand, dass man auch
     als Gast an den morgendlichen Gebeten der Mönche teilzunehmen hatte. Frierend und fest eingewickelt in einem dicken Reiseumhang,
     hatte |453| Gero in einer der vielen Holzbänke gekauert. Die sich wiederholenden, lateinischen Texte, die er zusammen mit den anderen
     Anwesenden folgsam vor sich hin gemurmelt hatte, galten nur dem einen Zweck – wach zu bleiben und darauf zu hoffen, dass die
     Zeit rasch genug verging, um so bald wie möglich wieder ins eigene Bett zurückkehren zu dürfen.
    Schützend legte Gero seinen Arm um Hannahs Schulter und dirigierte mit seinem ausgestreckten Zeigefinger ihren Blick nach
     rechts, zu einer anmutigen, hellen Marienstatue, die auf einem erhöhten Sockel vor einer dichten Hecke stand.
    »Siehst du dort hinten die steinerne Madonna?«
    Hannah nickte. Dabei drückte sie ihre kalte Wange an Geros wärmende Brust.
    Sie duftete so gut, und liebend gerne hätte er sie noch fester an sich gezogen.
    »Dort befanden sich die Unterkünfte für die Gäste«, fuhr er leise fort. »Wir hausten nicht minder bescheiden

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