Das Rätsel der Templer - Roman
wie die Mönche,
aber das Essen war gut und reichlich.« Für einen Moment schloss er die Augen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
»Was gab es denn zu essen?«, fragte sie in einem Tonfall, der so selbstverständlich klang, als ob sie aus seiner Zeit stammen
würde.
»Oh, lass mich nachdenken …«, antwortete er mit einem Schmunzeln und wandte sich dem Ort zu, wo zu seiner Zeit die Küche und
die Backstube untergebracht gewesen waren. »Uns zu Ehren wurde ein Ochse am Spieß gebraten. Die Zisterzienser essen selten
Fleisch. Meist gibt es gekochten Karpfen oder gebackene Forellen, über deren Genuss man streiten mag. Zudem reichte man saure
Bohnen und Rüben und ein Mus aus Winteräpfeln, verfeinert mit Honig und Nüssen, und natürlich frisches Brot.« Bei dem Gedanken
an all die Köstlichkeiten lief Gero das Wasser im Mund zusammen.
»Und nach allem, was ich über Mönche weiß, habt ihr bestimmt kein Wasser getrunken«, stellte Hannah ungerührt fest.
»Nein, die Heisterbacher hatten ihre eigenen Weinberge. Nicht besonders ertragreich, aber sie brachten einen anständigen Tropfen
hervor. Und sie hatten Bier in Fässern, direkt aus Köln. Das war fast noch besser als der Wein.«
|454| »Ich glaube«, bemerkte Hannah lachend, »das ist auch etwas, das sich bis heute nicht verändert hat.«
»Es tut gut, zu wissen, dass nicht alles vergeht«, sagte er und war versucht, sie zu küssen, als er auf sie herabblickte.
Schweigend hakte sie sich bei ihm unter.
Gemeinsam folgten sie Tom und den anderen entlang der Außenmauer in Richtung Ruine.
»Hast du eine Ahnung, wo wir suchen müssen?«, fragte Hannah mit zweifelnder Miene.
»Vielleicht«, erwiderte er und ließ seinen Blick über Bäume und Sträucher gleiten, die das längst aufgegebene Terrain überwucherten.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, wenn er seine noch sehr lebendigen Erinnerungen an diese Abtei mit ihrer besonderen Bedeutung
für die christliche Welt mit den kläglichen Ruinen verglich, die er hier vor sich sah.
»Die Frage ist, ob der Gang, in dem das Haupt sich angeblich befand, nicht mittlerweile eingestürzt ist«, bemerkte er nachdenklich.
Abseits, unter einer Rotbuche nutzte Gero die Gelegenheit und ergriff zaghaft Hannahs Hand. Er beugte sich leicht zu ihr hinab,
um ihre Lippen zu berühren. Sie kam ihm mit geschlossenen Augen entgegen.
Ein lautes Räuspern ließ Gero herumfahren. Dabei richtete er sich auf, als hätte er einen Angreifer vor sich.
Erschrocken wich Tom zurück. »Drum hütet euch vor den Küssen der Templer«, erklärte er boshaft. »Der Spruch stammt nicht von
mir, aber wer immer ihn auch erfunden hat, muss sich etwas dabei gedacht haben«, fügte er hinzu und bedachte Hannah mit einem
düsteren Blick.
Hannah schoss das Blut in die Wangen.
»Wollt ihr hier Wurzeln schlagen?«, fragte Tom schnippisch. »Ich dachte, wir suchen den heiligen Gral?«
Mit einem entschuldigenden Schulterzucken wand Hannah sich aus Geros Umarmung. Er spürte die kühle Leere und die Enttäuschung,
dass sie ihn stehen ließ wie einen einfältigen Tropf. Unschlüssig folgte er den beiden, während die Hoffnung, hier etwas zu
finden, das ihm den Weg zurück nach Hause eröffnen konnte, zunehmend schwand. Alles, was d’Our ihm als Anhaltspunkt gegeben
hatte, um das Vermächtnis |455| des Ordens zu finden, war nicht mehr vorhanden, und es erschien ihm töricht, zu hoffen, dass nach siebenhundert Jahren, im
Schatten all dieser Zerstörung noch etwas davon übrig geblieben war.
Im Geiste durchschritt Gero im Abendlicht das ehemals mächtige, nun nicht mehr vorhandenen Portal, das mit seinen zahlreichen
Spitzbögen den Eingang zum Paradies markierte. Damals war er jung und ungestüm gewesen. Trotzdem oder gerade deshalb hatten
ihm die stolzen Gewölbe eine tiefe Ehrfurcht abverlangt und ihn mit Demut erfüllt und dem Wissen beschenkt, dass Gott groß
war, viel größer als jegliches menschliche Streben nach Vollkommenheit. Diese Erkenntnis hatte ihn getröstet und ihm gleichzeitig
Mut gemacht, dass er vor nichts auf der Welt Angst haben musste, weil es einen Allmächtigen gab, der ihn begleitete und sein
Schicksal bestimmte, gerade so, wie er es für richtig erachtete.
Gero richtete seinen Blick in den Abendhimmel und bekreuzigte sich voller Dankbarkeit.
Hannah war stehen geblieben und hatte auf ihn gewartet. »Habe ich dir wehgetan?«
Er überlegte einen Augenblick, dann lächelte er.
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