Das Rätsel der Templer - Roman
erschienenen
und höchst umstrittenen Theorien, wirklich neu geschrieben werden müsste? Können Sie sich die gesellschaftliche und religiöse
Sprengkraft einer entsprechenden Beweisführung vorstellen?«
Major Dan Simmens hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl. Er sprang auf und lief um den Tisch, während er Hertzberg nicht aus
den Augen ließ. »Mein lieber Professor, ich stimme Ihnen in allen Punkten zu. Dass unsere Erfindung und der damit verbundene
Fund ein ungeheures politisches und sogar militärisches Potential besitzt, ist mittlerweile nicht mehr von der Hand zu weisen.
Was könnte es Brisanteres geben, als im Besitz einer Zeitmaschine zu sein?« Simmens blieb abrupt stehen und schaute von einem
zum anderen. »Aber sollten wir nicht zunächst einmal analysieren, welche Gefahren für die Menschheit von solch einer Maschine
ausgehen? Was wäre, wenn diese durchaus bahnbrechende Erfindung in der Lage ist, die Geschehnisse in der Vergangenheit und
damit auch die gegenwärtigen Ereignisse nachhaltig zu ändern? Von der Zukunft, die wir jetzt noch nicht kennen, einmal ganz
abgesehen?«
Tom hüstelte zaghaft.
»Ja? Mister Stevendahl«, sagte Simmens in einem provozierenden Tonfall. »Sie wollen uns etwas dazu sagen?«
»Äh …«, begann Tom unsicher. »Soweit wir bis jetzt feststellen durften, ist eine Veränderung der Raum-Zeit-Konstante nicht
möglich. Unabhängig davon, wie sehr sie in Abläufe eingreifen, scheinen die Experimente keinerlei Auswirkungen auf zukünftige
Ereignisse zu haben. Es ist beinahe so, als ob unsere Forschungen Teil eines größeren Ganzen sind. Sozusagen integriert in
den Gesamtablauf des Zeitgeschehens. So wie es sich bisher darstellt, lässt sich die Programmierung unseres Daseins nicht
grundsätzlich beeinflussen.«
|566| »Das ist ja weit schlimmer, als wenn sich irgendetwas verändern ließe«, stieß der amerikanische Botschafter hervor. »Stellen
Sie sich vor, die Menschheit erfährt davon, dass sie sozusagen tun und lassen kann, was sie will. Frei nach dem Motto: Es
kommt ohnehin, wie es kommen soll. Wie in aller Welt wollen Sie Mörder für ihr Handeln zur Verantwortung ziehen? Oder Terroristen?
Mit dieser Theorie geben sie jedem Schurken den Freibrief dafür, dass sein Handeln im Grunde genommen vorherbestimmt und ohnehin
nicht änderbar ist!«
»Vielleicht sollten wir für solche Fragen einen renommierten Physikphilosophen zu Rate ziehen«, schlug Hertzberg seufzend
vor.
»Interessanter Ansatz«, bemerkte General Lafour. »Für mich stellt sich die Frage, wo Gott in dieser Angelegenheit bleibt?«
»Ich befürchte, für Gott ist in diesem Spiel kein Platz mehr«, warf Paul Colbach ein. »Es zeichnet sich ab, dass das, was
wir Leben nennen, nicht mehr, aber auch nicht weniger ist als eine gigantische Computersimulation. Mit dem einen Makel, dass
wir bis jetzt noch nicht herausfinden konnten, wer den Quellcode dafür besitzt. Von mir aus können sie den in Frage kommenden
Typen Gott nennen. Aber seien sie nicht enttäuscht, wenn sich herausstellt, dass sein Name Luzifer ist oder dass er gar keinen
hat oder – was für manche Gläubige noch viel schlimmer erschiene – dass es sich um eine
Sie
handelt, die unser Schicksal steuert. Nur soviel weiß ich: Was immer es ist, das für unseren Fortbestand verantwortlich zeichnet,
es scheint keinen Unterschied zu machen zwischen Christen, Juden, Moslems, Buddhisten oder dem Gott der Regenwürmer. In diesem
System sind alle gleich.«
Lafour schickte Colbach einen giftigen Blick, der Bände sprach.
Hertzberg, der als ältester die Diskussionsführung an sich genommen hatte, lächelte weise. »Gott hat viele Namen«, sagte er
bedeutungsvoll, »da kommt es auf einen mehr oder weniger nicht an.«
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Samstag, 21. Oktober 1307 – Das Todesurteil
Als Hannah erwachte, war ihr Zeitgefühl völlig durcheinander geraten. Suchend tastete ihre Hand nach Gero, doch die andere
Hälfte des Bettes war leer. Einen Moment später entfuhr ihr ein markerschütternder Schrei, als eine hell gekleidete Frau vor
ihr stand. Mit einem weißen Kopfputz versehen, starrte die Unbekannte Hannah aus hervorstehenden Augen an. Die Kerze, welche
die Frau in der Hand hielt, tauchte die fremdartige Umgebung in ein dämonisches Licht.
Auch die Frau wich entsetzt zurück und stieß einen Schrei aus. Ihre freie Hand hielt sie an ihre Brust gepresst.
»Tut mir leid«, murmelte Hannah, die langsam
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