Das Rätsel der Templer - Roman
Windeseile auf die Packgestelle der mitgeführten Pferde verladen.
Von nun an lag die Verantwortung für die gesamte Altersversorgung so manches, ehrenwerten Kaufmannes und für die Schätze der
fünf Komtureien, worunter sich unerschwingliche, edelsteinbesetzte Messkelche und einzigartige, heilige Reliquien aus dem
Outremer befanden, allein in den Händen der verbliebenen zwölf Männer, die unter der Führung von Theobald zum Depot zugelassen
waren. Begleitet wurden sie von drei Handwerkern und zwei Baumeistern, die sich mit den unterirdischen Stollen des Verstecks
und dessen Beschaffenheit auskannten.
Die restlichen Brüder schlugen vor Ort ein Lager auf, um auf die Rückkehr der anderen aus dem Wald zu warten. Bei der Gelegenheit
verabschiedete sich Gero von Matthäus und ermahnte ihn, sich nicht vom Lager zu entfernen, bis sie wieder zurückgekehrt waren.
Johan stand hinter Matthäus und legte seine Arme schützend um dessen Brust, dabei lächelte er. »Ich achte schon darauf, dass
unserem kleinen Bruder nichts geschieht. Mach dir keine Sorgen!«
Gero beeilte sich Struan zu folgen, der bereits mit dem Trupp hinter der nächsten Biegung verschwunden war.
Am späten Abend, nachdem Bruder Theobald mit seinem Einsatztrupp zu den übrigen Kameraden zurückgekehrt war, sammelte er alle
verbliebenen fünfzig Templer zu einem letzten Dankesgebet.
Ein großer, runder Mond erhob sich hinter knorrigem Geäst und tauchte die Umgebung in ein gespenstisches Licht. Schweigend
stellten sich die Männer rund um ein knisterndes Feuer auf, das inmitten des Lagers entfacht worden war. Wie auf Kommando
erhoben sie ihre schwielige Rechte zu einem Kreuzzeichen, das hier und da von einem leisen Klirren der Kettenhemden oder einem
zurückhaltenden Räuspern begleitet wurde. Dann senkten sie die kurz geschorenen Köpfe zur Andacht. Ein rauer, kehliger Chor
betete gemeinsam ein Vaterunser und ein Ave-Maria.
Seltsamerweise fand im Anschluss an die kleine Zeremonie kein persönlicher Abschied statt. Einzig Gero und Theobald reichten
sich in alter Templertradition die Hand. Geros Griff war fest, und er suchte Theobalds klaren Blick, der im Schein der Pechfackel
tief und unergründlich wirkte.
|66| »Die Jungfrau Maria sei mit Euch, mein Freund«, flüsterte Theobald. »Denkt immer daran: Wir sehen uns wieder, und wenn es
sein muss im Paradies.«
Gero schluckte schwer. Mehr als ein heiseres »Ja« brachte er nicht hervor. Die übrigen Männer nickten sich nur schweigend
zu, bevor ein jeder auf seinem Pferd aufsaß und die verschiedenen Trupps in mehrere Richtungen davon ritten.
Getrieben von der bösen Ahnung, dass das Unglück bereits seinen Lauf genommen hatte, ordnete Gero an, die Strecke bis Dolancourt
ohne Halt zu bewältigen.
An den still da liegenden Weilern angekommen, entschied Gero während einer kurzen Rast – entgegen der Verschwiegenheitsverpflichtung,
die d’Our ihm abverlangt hatte – seine Kameraden über das drohende Unheil aufzuklären. Die Erläuterungen d’Ours und die Entscheidung,
den Inhalt der Tresore so vieler Komtureien in ein sicheres Depot zu verlagern, deuteten darauf hin, dass ein Angriff Philipps
IV. auf den Orden nicht nur möglich war, sondern unmittelbar bevorstand.
Betretenes Schweigen folgte auf die Ankündigung, dass möglicherweise noch in dieser Nacht mit einem Überfall der königlichen
Soldaten auf alle Niederlassungen der Templer in Frankreich zu rechnen war.
»Kameraden«, erklärte Gero. »Ich kann mir das Ausmaß Eures Entsetzens lebhaft vorstellen, aber ihr müsst Euch entscheiden.
Wenn die Komturei bei unserer Rückkehr von franzischen Soldaten besetzt sein sollte, ist es uns erlaubt, zu fliehen.«
»Pah!«, schnaubte Arnaud de Mirepaux und verzog wütend das Gesicht. »Als wenn ich es geahnt hätte!« Der temperamentvolle Franzose
vergaß seine mühsam anerzogene Zurückhaltung. »Hält man uns für dumm? Warum haben d’Our und seine Führungsriege uns nicht
rechtzeitig über das herannahende Übel aufgeklärt?«
Bevor Gero ansetzen konnte, etwas zur Verteidigung seines Komturs vorzubringen, ereiferte Arnaud sich weiter.
»Hat unser guter Komtur eine Vorstellung davon, wie schwierig es ist, so kurzfristig einen sicheren Unterschlupf zu finden?
Und wissen die anderen Brüder in den Komtureien ebenso Bescheid? Was geschieht, wenn der schöne Philipp es sich nochmal überlegt
und die |67| ganze Angelegenheit im Sande verläuft?
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