Das Rätsel der Templer - Roman
Papstes nach Poitiers begleiten mussten, eine Rast eingelegt. Im Gegensatz zu den pittoresken Gebäuden und
Türmen im vorderen Teil der Anlage beherbergte der westliche Trakt ein Verlies, das mit seinen massiven Kellergewölben und
den verschiedenen, stark befestigten Donjons durch einen künstlich angelegten, tiefen Graben von der eigentlichen Wohnburg
getrennt war und nur über eine Zugbrücke erreicht werden konnte.
»Ihr kommt wie gerufen«, frohlockte der untersetzte Vogt, der ihnen mit einem jovialen Lächeln entgegen schritt. Sein Blick
nahm unverschämte Züge an, als er Hannah und Freya betrachtete. »Zurzeit haben wir hier vor Ort fünfzig Männer unter Waffen
stationiert, die für die Bewachung des Kerkers zuständig sind, und heute am Martinstag ist es gerade recht, dass wir ein bisschen
feiern.«
Hannah verstand nichts von dem, was der etwa vierzigjährige Mann von sich gab. Dafür betrachtete sie umso eingehender seine
Kleidung, die ausgesprochen vornehm erschien. Der dunkelgrüne Surcot aus feinem Samt war an den Säumen mit Goldlitze bestickt,
und an beinahe jedem Finger steckte ein protziger Ring.
|624| »Was nehmt ihr als Entlohnung?«, fragte der Vogt an Gero gerichtet, den er offenbar für das Oberhaupt der Truppe hielt.
»Ein Geleitbrief mit königlichem Siegel wäre für unsere weitere Reise von Vorteil«, entgegnete Gero. »Wir müssen anschließend
bis nach Poitiers, wo wir den Hofstaat des Papstes erfreuen sollen.«
Der Vogt wiegte den Kopf. »Könnt Ihr haben«, sagte er lahm. »Und Ihr wollt wirklich kein Geld?«
»Vielleicht ein wenig Silber, wenn es Euch beliebt«, fügte Gero hinzu, um den wahren Wert des Geleitbriefes zu verschleiern,
der ihm mehr bedeutete als alle Schätze dieser Festung.
»Wie steht es mit Kost und Logis?«
»Macht Euch keine Umstände«, sagte Gero leise. »Wir bleiben nur eine Nacht und haben bereits eine Unterkunft gefunden. Darüber
hinaus sollte ein bescheidenes Abendmahl und ein wenig Hafer für die Tiere genügen.«
»Wohl gesprochen«, erwiderte der Vogt und verriet, als er lächelte, dass ihm ein paar Zähne fehlten. »Wenn Eure Darbietungen
es wert sind und Eure Damen sich nicht zieren, sollt ihr noch einen Bonus bekommen.«
Gero zuckte es in den Fäusten. Herr im Himmel, warum musste ein jeder Narr die Frauen einer Spielmannstruppe für Freiwild
halten, dachte er, wobei ihm seine Verärgerung anzusehen war.
Freya trat lächelnd hervor, um den Vogt abzulenken, damit er Geros Unmut nicht bemerkte. »Hoher Herr, wir werden Euch nicht
enttäuschen, seid gewiss. Nicht wahr?«
Freya hatte Hannah bei der Hand gefasst und lächelte sie auffordernd an. Hannah lächelte unwissend zurück, während Gero nur
mit Mühe seine Abscheu unterdrücken konnte.
»Also«, bestimmte der Vogt, »wir erwarten Eure Vorstellung kurz vor Sonnenuntergang.«
Die Dämmerung war bereits angebrochen. In der großen Halle der Wohnburg hatte sich eine Schar von laut palavernden Männern
in den unterschiedlichsten Uniformen versammelt. Auffällig war, dass den Soldaten in schwarzen Überwürfen und braunen Lederwesten
die besten Plätze direkt vorne bei den Musikanten und neben den wenigen, |625| anwesenden Damen zuerkannt worden war. Im hinteren Teil des Raumes schoben und drängten sich die blaugelben Wappenröcke der
königlichen Schergen, um Platz zu finden.
Gero pochte das Herz bis zum Hals, als er die Laute zupfte, um gemeinsam mit Johan, der abwechselnd die Trommel schlug und
die Drehleier betätigte, das erste Lied anzustimmen.
Struan, der als vollkommen unmusikalisch galt, war auf dem weitläufigen Hof verblieben, wo er im Zwielicht weniger Fackeln
den Wagen bewachte und sich um die Pferde kümmerte.
Freya, die nach Beginn der Melodie in einem leuchtend grünen Surcot auf einer kleinen, improvisierten Bühne erschien, bewegte
sich aufreizend wie eine Bauchtänzerin im Takt der rhythmischen Klänge. Den Rock ihres Kleides hatte sie eigenhändig bis zur
Hüfte geschlitzt, nachdem das Grundmodell für ihren Geschmack definitiv zu brav ausgefallen war. Johan sah schmerzerfüllt
zu Boden, nachdem er bemerkt hatte, wie die lüsternen Blicke der Männer die hervorquellenden Brüste und die straffen Schenkel
des Mädchens streiften, die bei jeder Bewegung unter dem Kleid hervorblitzten.
Anders als Freya hielt Hannah sich zurück. Sie war froh, ein ockerfarbenes Kleid gewählt zu haben, dass keinen unzüchtigen
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