Das Rätsel der Templer - Roman
habt ein verdammt loses Mundwerk, Medicus. Wie könnt Ihr so dreist sein, mir eine solche
Frage zur Antwort zu geben?« Er funkelte ihn wütend an.
»Ich …« Anselm verstummte und setzte von neuem an. »Mein Herr«, sagte er und verbeugte sich ansatzweise, »so habe ich es nicht
gemeint …«
»Ah – Ihr habt es nicht so gemeint«, höhnte Sir Guy. »Geht auf die Knie und küsst meinen Stiefel. Dabei will ich hören, wie
Ihr um Vergebung winselt.« Seine Stimme war bei seinen letzten Worten lauter geworden, so dass selbst zwei Schergen, die sich
inzwischen dem Gefolterten am Brett zugewandt hatten, mit unverhohlener Neugier aufschauten.
Verdammt, was mache ich nur? dachte Anselm verzweifelt.
»Auf die Knie!«, brüllte Sir Guy.
Anselm zuckte zusammen, als hätte er einen Schlag erhalten, als einer der umstehenden Soldaten in seine Kniekehlen trat und
ihn damit zu Fall brachte. Heilige Maria, Mutter Gottes, fing er lautlos an zu beten. Im nächsten Moment spürte er einen eisenbeschlagenen
Schuh in seinem Nacken, der seinen Kopf weiter zu Boden drückte und seine Nase auf Sir Guys nach Kot und Urin stinkenden Stiefel
stieß.
»Ich höre nichts!«, schnarrte die Stimme Sir Guys.
Zum Reden benötigte man Luft. Doch Anselm getraute sich nicht zu atmen, weil er wusste, dass er sich dann übergeben würde.
Plötzlich hallten Schritte durch den Raum, und ein lautes »Sire!« erklang.
Der Stiefel löste sich, so dass Anselm sich aufrichten und nach Atem ringen konnte.
»Sire«, ertönte dieselbe Stimme erneut. »Der Bote Eurer Exzellenz ist soeben eingetroffen, er hat die Anweisung, Euch unverzüglich
eine geheime Botschaft aus Paris zu überbringen!«
Sir Guy warf Anselm einen dunklen Blick zu, dann straffte er sich und ging mit dem Schergen davon, der ihn gerufen hatte.
Nur mit Mühe gelang es Anselm ein Würgen zu unterdrücken.
|679| »Da habt Ihr verdammtes Glück gehabt«, raunte ihm einer der Kerkerwachen zu. »Das war Sir Guy de Gislingham. Er ist der neue
Adjutant unseres Großinquisitors.«
Am ganzen Körper zitternd kämpfte sich Anselm auf die Beine. Unabhängig davon, dass er sich fühlte wie ein hundertjähriger
Greis, hatte er keine Zeit zu verlieren. Er musste Gero unverzüglich mitteilen, dass man die Ordensbrüder nicht auf den Abfallhaufen,
sondern in den Eiskeller bringen würde.
Nachdem Anselm zur Kirche von Saint Maurice zurückgekehrt war, band er die Zügel seines Wallachs an einen der eisernen Ringe
und schaute sich suchend um. Es war Mittagszeit, die Sonne stand hoch am Himmel. Die meisten Bewohner der Stadt hatten sich
offenbar in ihre Häuser zurückgezogen, und nur ein paar Bettler lungerten am Kircheneingang herum.
Plötzlich vernahm er einen leisen Pfiff.
Im Schatten eines Seiteneinganges hatte Gero Schutz gesucht. Anselm eilte auf ihn zu und erstattete atemlos Bericht.
»Guy de Gislingham.« Gero flüsterte den Namen wie eine düstere Prophezeiung. Die Lider des Trierer Ritters verengten sich,
und seine ohnehin strengen Gesichtszüge wurden noch härter.
»Du kennst ihn?«, fragte Anselm.
Gero lächelte spöttisch. »Er war ein Bruder«, sagte er kühl. »Struan und ich haben ihm zur Flucht verholfen, damals, als wir
in unserer Komturei überfallen wurden. Wir hätte ihn zurücklassen sollen. Er ist ein Spion des Königs, eine Schlange. Ich
hatte die Gelegenheit, diese Schlange zu zertreten. Ich hab es versäumt, weil ich dachte, es sei eine schwere Sünde, einem
Bruder das Leben zu nehmen. Doch es war eine noch viel größere, es nicht zu tun.« Geros Stimme war voller Bitterkeit.
»Komm!«, sagte er dann und zog seine Kapuze tiefer ins Gesicht.
Bemüht, kein Aufsehen zu erregen, eilten sie zum gegenüberliegenden Haus des Medicus.
Nachdem sie die Treppe zum ersten Stock hinauf geschlichen waren, erschrak Anselm beim leisen Knarren einer Tür. Während Gero
sofort seinen Hirschfänger zog, schlug Anselm das Herz bis zum Hals. Plötzlich huschte ein Schatten über den Flur. Es war
Struan, der |680| sich in einen schmalen Wandschrank gezwängt hatte, bis er sehen konnte, wer ihn bei der Bewachung des immer noch ohnmächtigen
Medicus störte. Die Miene des Schotten verdüsterte sich noch weiter, als er von den Geschehnissen im Verlies erfuhr.
»Gislingham, dieser Hund«, murmelte er und bedachte Gero mit einem verächtlichen Blick. »Ich hätte ihn töten sollen, unten
im Bachtal, als er mich zum Kampf herausgefordert hat. Es
Weitere Kostenlose Bücher