Das Rätsel der Templer - Roman
war falsch von dir, ihn zu schonen.«
Der Trierer Templer stieß einen tiefen Seufzer aus, während er nachdenklich die wie tot aufgebahrte Gestalt auf dem Bett betrachtete.
»Wir haben schon genügend Schuld auf unsere Seelen geladen. Dabei können wir von Glück sprechen«, fuhr er tonlos fort, »dass
wir unserem englischen Verräter bei unserem Auftritt auf der Festung nicht in die Arme gelaufen sind.« Mit scheinbarem Gleichmut
fuhr er fort: »Auf jeden Fall müssen wir zu Ende führen, was wir angefangen haben. Anstatt auf dem Abfallhaufen liegen unsere
schlafenden Brüder nun im Eiskeller. Um sie bergen zu können, benötigen wir einen Lageplan, der uns die Gänge und Katakomben
unter der Festung aufzeigt.« Während Struan und Anselm noch ratlose Gesichter aufsetzten, lächelte Gero hoffnungsvoll. »Und
ich habe auch schon eine Idee, wer mir diesen Plan beschaffen kann.«
Frydel, der Botenjunge von Madame Fouchet, war nicht nur vertrauenswürdig, sondern auch überaus hilfsbereit. Wie Gero erwartet
hatte, wusste der kleine Franzose sofort, wie er sein Anliegen in die Tat umsetzen konnte.
»Ihr seid kein Spielmann«, flüsterte der Junge, als er Gero in einer menschenleeren Gasse ein abgegriffenes Pergament überreichte.
»Habe ich recht?«
Gero unterdrückte ein Lächeln. »Was ist dein Lohn?«, fragte er, statt eine Antwort zu geben.
»Zwei silberne Livres Tournois«, sagte Frydel hastig, und ihm war anzusehen, dass ihn Geros Zurückhaltung nicht zufrieden
stellte.
»Ziemlich viel, findest du nicht?«, bemerkte Gero betont mürrisch, während er in seiner Geldkatze nach den passenden Münzen
suchte.
»Sagen wir, es war nicht ganz einfach«, erwiderte der Junge. »Ich |681| habe mir die Pläne kurzerhand vom Stadtkämmerer geliehen, und dafür musste ich seinen Diener bestechen.« Das Wort »geliehen«
hatte er mit einer besonderen Betonung ausgesprochen. »Umsonst ist der Tod«, erklärte Frydel unbekümmert.
»Da irrst du dich«, entgegnete Gero mit plötzlich finsterem Blick. »Der Tod kostet das Leben. Doch es mag durchaus sein, dass
dir
dein
Leben nichts wert ist.«
Frydel machte ein betroffenes Gesicht. »Ihr wisst, wovon Ihr sprecht, Herr, ich kann es Euch ansehen.«
Gero drückte dem Jungen die geforderten Münzen in die Hand und legte noch eine weitere dazu. »Damit
du
weißt, wovon du
besser nicht
sprichst«, sagte er und schaute dem Jungen streng in die braunen Augen.
»Ich schweige wie ein Grab«, entgegnete Frydel, dabei setzte er eine feierliche Miene auf und hob die Hand wie zu einem Schwur.
»Es ist mir eine große Ehre, einem Bruder des Tempels dienen zu dürfen.«
Gero sah den Jungen überrascht an. »Die heilige Jungfrau sei mit dir«, sagte er mit ernster Miene. »Sie wird mehr als ich
zu schätzen wissen, was du getan hast.« Dann hielt er Frydel seine rechte Hand hin. Mit stolz geschwellter Brust schlug der
Junge ein und bewies mit dem überkreuzten Handschlag, dass er das obligatorische Grußritual unter den weiß gewandeten Brüdern
des Tempels nur zu gut kannte.
Der Kauf des Leiterwagens, den sie benötigten, war im Gegensatz zum Erwerb der Karten ein Kinderspiel. Der Preis, den Gero
dem verdutzten Wagenbauer bot, erschien zu verlockend, so dass der Mann sofort einschlug. Nachdem Gero seinen Braunen am Wagen
eingespannt hatte, deckte er sich mit Wasserfässern und Futtersäcken ein. Dazu kaufte er noch ein paar Garben Heu und Stroh.
Anselm erhielt währenddessen den Auftrag, die Umgebung zu observieren, um rechtzeitig Soldaten der Gens du Roi zu sichten.
Als die Dunkelheit hereinbrach, führte Gero seinen Braunen zusammen mit dem Leiterwagen vor das Haus des Medicus.
Mit Struans Hilfe trug er den immer noch ohnmächtigen Mediziner aus dem Haus und versteckte ihn liegend, eingehüllt in eine
Pferdedecke, zwischen Fässern und zusammengebundenen Heugarben. Ganz |682| gleich, was geschah – sie mussten verhindern, dass der Medicus wieder zu sich kam, bevor sie ihre Mission erfüllt hatten.
Die Karte Frydels zeigte einen geheimen Zugang, der direkt hinter einem verlassenen Gemäuer, unterhalb der Festungsmauern
lag. Der dahinter verborgene Gang führte dem Plan nach geradewegs zum Eiskeller. Möglichst unauffällig platzierten sie den
Leiterwagen mit dem Medicus in der Nähe des Zugangs und stellten ihn im Schutz eines verfallenen Ziegenstalls ab. Hinter Sträuchern
und einem Berg von Unrat, den sie zunächst aus dem Weg
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