Das Rätsel der Templer - Roman
ausgepeitscht, gerädert und mit glühenden Eisen
verbrannt. Normalerweise hätte er längst tot sein müssen.
Freya strich dem Schotten über das blutverschmierte Haar und tastete seine Halssehnen ab.
»Er ist nicht tot«, sagte sie und richtete ihren hoffnungsvollen Blick auf Johan, der blank vor Entsetzen beobachtete, wie
es seinem schottischen Bruder ergangen war.
|728| »Herr Jesus Christ, warum musste das geschehen?« Gero ließ entmutigt den Kopf hängen.
»Es ist nicht Eure Schuld, Bruder Gerard«, sagte d’Our leise, der nicht weit von ihm weg saß. »Es ist Gottes Wille, vergesst
das nie. Ihr seid ein Werkzeug des Allmächtigen.«
Gero schwieg. Er hatte leise zu weinen begonnen. Anstatt ihn zu trösten, beschloss Hannah, sich weiter zusammen mit Freya
um den Verletzten zu kümmern.
»Hilf mir«, bat sie Matthäus, der wie versteinert neben ihr stand. Ohne lange zu überlegen, entledigte sich Hannah ihres Unterrockes,
den sie auf Höhe der Taille einfach entzwei riss. Aus einer Hälfte faltete sie eine Unterlage, die sie Struan unter den Kopf
schob. Die andere Hälfte zerriss sie in mehrere Längsstreifen und beauftragte Matthäus damit, die noch blutenden Wunden an
Armen und Beinen zu verbinden.
»Was bringt das schon!«, schnaubte Arnaud, der nicht weit weg von Johan saß.
»Besser er stirbt jetzt als übermorgen, wenn Guillaume Imbert sein grausames Spiel beginnt.«
Die anderen Männer schwiegen betreten.
Struans Gesicht war blutunterlaufen, wahrscheinlich von den zahlreichen schweren Hieben. Am meisten beunruhigte Freya jedoch
der Rücken des Templers. Schwarzblaue Male zogen sich über Steiß und Hüften bis hinunter zu den muskulösen Oberschenkeln.
»Wir müssen ihn warm halten«, bestimmte die heilkundige Begine, »ansonsten wird er nicht mehr zu sich kommen.« Mit Matthäus
packte sie Struan vorsichtig unter die Arme, während Hannah die Beine des Mannes anhob. Gemeinsam zogen sie ihn zu Johan hin,
bis der Verletzte dicht neben ihm zu liegen kam. Mit Johans stillem Einverständnis kuschelte sich Freya an den halbtoten Schotten
und drapierte ihr ausladendes Wollcape über sie alle drei.
Hannah war aufgestanden und nahm Matthäus bei der Hand, der nicht wusste, wohin er sich angesichts dieser verzweifelten Situation
wenden sollte.
Wortlos bedeutete sie ihm, dass er sich zwischen sie und Gero kauern sollte, damit sie es unter ihrem Umhang alle ein wenig
warm hatten.
|729| »Es tut mir so leid«, stammelte Gero leise, nicht fähig, ihr dabei in die Augen zu schauen. Seine Lippen zitterten, und sie
sah, dass er vor dem Jungen eisern bemüht war, seine Tränen zurückzuhalten.
»Es ist meine Schuld«, flüsterte sie tonlos und strich ihm vorsichtig über die aufgeplatzte Stelle im Gesicht.
»Wir waren schon auf halbem Weg zur Vienne. Ich war es, die zurückkehren wollte. Ich konnte nicht einfach so davonlaufen,
in dem Wissen, dich vielleicht nie wieder zu sehen.«
Unter leisem Kettengerassel hob Gero seine rechte Hand und schob Matthäus, der still zwischen ihnen hockte, ein wenig zur
Seite. Zärtlich strich er Hannah über die Wange.
»Wir wollen nicht von Schuld sprechen, meine Schöne«, erwiderte er leise. »Unser Komtur hat Recht. Gott der Allmächtige lenkt
unsere Wege, und vielleicht werden wir eines Tages wissen, warum er uns eine solche Prüfung auferlegt.«
Er senkte seinen Blick und betrachtete wortlos den Jungen, der ängstlich zu Boden schaute. Wieder füllten sich seine Augen
mit Tränen. Hannah nahm seinen Arm und drückte ihn fest. Sie wusste selbst nicht, woher sie die Kraft nahm. Vielleicht lag
es ganz einfach daran, dass sie keine genaue Vorstellung davon hatte, was sie erwartete.
Zwei oder drei Stunden mussten vergangen sein, als ein kaum hörbares Stöhnen die angespannte Stille zerriss. Struan war zu
sich gekommen und blinzelte Freya aus seinen schwarzen Augen an. Sie hatte ein bisschen gedöst, doch nun war sie hellwach.
»Struan? Kannst du sprechen?« Johan hatte sich ebenfalls hochgerappelt und beobachtete sorgenvoll seinen schwer verletzten
Freund.
»Amelie«, flüsterte Struan mit rauer Stimme. »Amelie bist du es?«
Freya wechselte mit Johan einen erschrockenen Blick. Offenbar war Struan zwar wach, aber nicht ganz bei sich.
»Ich kann dich kaum sehen«, fuhr er stockend fort. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hob er seine linke Hand und tastete nach
ihr. Seine Finger verfingen sich in ihrem langen Haar und trotz
Weitere Kostenlose Bücher