Das Rätsel der Templer - Roman
sein Auftrag, den er selbst vor den Kameraden geheim halten musste, irgendetwas
zur Verbesserung der allgemeinen Misere beizutragen vermochte. Doch ihm fehlte es an Wissen und an Vorstellungskraft, um zu
einer Antwort zu gelangen.
Einige Zeit später stand Johan van Elk auf und löste ihn mit der Wache ab.
|102| Nachdem Gero sein Kettenhemd ausgezogen hatte, wickelte er sich in eine übrig gebliebene Satteldecke und legte sich neben
Matthäus nieder, der ab und zu im Schlaf unverständliche Dinge murmelte. Den Kopf auf eine Packtasche gebettet, überließ er
sich seiner Müdigkeit. In seinem Geiste verhallte das obligatorische Gebet für eine friedvolle Nachtruhe, als Gero endlich
in einen tiefen, traumlosen Schlaf verfiel.
5
Freitag, 13. Oktober 1307, morgens – Blutrausch
Die feuchtkalte Luft hatte sich wie eine Maske auf Amelies Gesicht gelegt, und nur langsam kam sie im Zwielicht des aufkeimenden
Morgens zu sich.
Struan, dessen seliges Schnarchen sie unmittelbar neben sich vernehmen durfte, hatte ihr unbeabsichtigt die Decke weggezogen.
Nur noch in ihren Mantel gehüllt, war sie fast schutzlos der herbstlichen Kälte ausgesetzt. Zitternd setzte sie sich auf und
zog das wollene Reiseplaid, das sie zum Schutz für die Nachtruhe anbehalten hatte, fest um ihre Schultern.
Eine tröstende Stille lag über dem herbstlichen Wald, und mit dem zarten Nebelschleier stieg der Duft von Erde, Pilzen und
frischem Laub herauf.
Johan van Elk, der junge Ritter mit den entstellten Gesichtszügen, saß einsam am Feuer, das bis auf die Glut heruntergebrannt
war, und nippte an einem dampfenden Becher Wein. Das glänzende Kettenhemd spannte sich um seine muskulösen Arme, und das silberne
Kreuz, das er an einem Lederband befestigt um seinen Hals trug, leuchtete übernatürlich, als ein Strahl der aufgehenden Morgensonne
darauf traf.
Amelies Blick fiel wieder auf Struan, der mit geschlossenen Augen und entspannten Gesichtszügen wie ein unschuldiger Knabe
wirkte. Ob das Kind, das sie erwartete, einmal so aussehen würde wie er?
Lächelnd wandte Amelie sich ihrem schlafenden Beschützer zu, um ihn zu küssen. Noch in der Bewegung hielt sie schmerzerfüllt
inne. |103| Ihre volle Blase erinnerte sie unbarmherzig daran, dass sie eine Leibesfrucht in sich trug und es an der Zeit war, an die
Morgentoilette zu denken. Mühselig richtete sie sich auf und streckte ihre verkrampften Glieder. Sie seufzte leise und hob
ihren Kopf.
Johan van Elk war aufgestanden und richtete sein Augenmerk in die Ferne, als hätte dort etwas seine Aufmerksamkeit erregt,
dabei hielt er den Becher immer noch in der Hand. Einen Moment lang wirkte er angespannt, doch dann setzte er sich wieder
hin, schaute lächelnd in Amelies Richtung und hob die Hand zu einem freundlichen Morgengruß.
So wie es aussah, schliefen alle anderen noch. Amelie wollte die Gelegenheit nutzen und zum Bach gehen, um sich in der Abgeschiedenheit
zu waschen und ihre Notdurft zu verrichten. Struan drehte sich brummend auf die Seite, als sie ihren Schlafplatz verließ und
wenig später hinter einem Ginsterbusch verschwand.
Nach einiger Zeit erreichte sie den plätschernden Bachlauf und zog eilig ihre Stiefel aus. Als sie unter einem Keuchen bis
zu den Knien ins kristallklare Wasser gewatet war, huschte ein flüchtiger Schatten vorbei, der sich zwischen den lichter werdenden
Bäumen bewegte. Alarmiert blickte sie auf. Mit Erleichterung stellte sie fest, dass es nur Guy de Gislingham war, der in einiger
Entfernung am Ufer hockte und im kalten Nass sein Leintuch auswusch, mit dem er seit gestern Abend die Schwellung seiner Nase
zu mildern versuchte.
Der Engländer blickte auf und betrachtete sie argwöhnisch. Allem Anschein nach dachte er nicht einmal daran, ihr die gebotene
Höflichkeit zu erweisen, indem auch er ihr einen Morgengruß entbot. Stattdessen glotzte er nur.
Verärgert entschloss Amelie sich, ihren idealen Waschplatz aufzugeben. Mit nackten Füßen lief sie ein Stück am sandigen Ufer
entlang, bis sie glaubte, dem ungeliebten Engländer jede Möglichkeit zu nehmen, sie ungeniert zu beobachten.
Hastig hockte sie sich an eine Stelle, wo das Wasser sprudelnd ihre Waden umspülte und mit seiner Strömung für einen natürlichen
Abfluss sorgte. Mit beiden Händen hielt sie ihr schweres Gewand umfasst, um es vor der Nässe zu schützen. Selig schloss sie
die Augen, als sie endlich die ersehnte Erleichterung fand. Danach
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