Das Rätsel der Templer - Roman
die Sonne, um abzuschätzen wie spät es wohl sein
mochte. »Vielleicht gehörten sie zu einem Trupp des Königs, der bereits Auftrag erhalten hat, nach versprengten Ordensleuten
zu suchen.«
»Ein Grund mehr, unserer Spuren so gründlich wie möglich zu verwischen«, knurrte Struan.
Widerwillig gingen sie daran, die verbliebenen Leichen einzeln, an Armen und Füßen gepackt, im nur schwer zu durchdringenden
Unterholz und unter den dichten Ginsterbüschen zu verstecken. Zuvor zogen sie den Toten die Überwürfe und Kettenhemden aus.
Zusammen mit deren Schwertern, die alle das Zeichen des Königs von Franzien trugen und somit für die Ritterbrüder unbrauchbar
waren, versenkten sie die Kleider der Soldaten in einem nahe liegenden, mit Schilf umrandeten Tümpel.
Struan bückte sich, um den unteren Teil der hohen Sumpfpflanzen auseinander zu biegen, als er plötzlich eine schnelle Bewegung
zu seinen Füßen wahrnahm. Erschrocken trat er zurück. In ihrer Mittagsruhe aufgescheucht, schlängelte sich eine Aspis-Viper
durch die am Boden liegenden, abgestorbenen Uferpflanzen davon.
»Ein Unglückszeichen!« Der Schotte schaute Gero mit entsetzter Miene an und bekreuzigte sich hastig.
Gero schüttelte verständnislos den Kopf. »Du meinst also wirklich, es könnte noch schlimmer kommen?«
Auf dem Rückweg zum Lager fand Gero unterhalb des sandigen Abhanges ein paar zierliche, hellbraune Lederstiefel.
Struan nahm sie ihm ungefragt ab. »Die gehören Amelie«, sagte er und presste das fein gearbeitete Schuhwerk an sich.
Als sie nach einer Weile zum Lager zurückkehrten, hatte Johan den getöteten Soldaten vom Lagerfeuer weg in ein Gebüsch gezogen
und mit Ästen und Blättern bedeckt und damit nicht nur Matthäus, sondern auch sich selbst den weiteren Anblick des Toten erspart.
|117| Der Knappe hockte bei den fertig gepackten Pferden. Die Angst stand ihm immer noch ins Gesicht geschrieben. Erst als er sah,
dass sein Herr und der schottische Bruder allem Anschein nach unverletzt waren, sprang er auf und lächelte erleichtert. Gero
tätschelte ihm die Schulter.
»Du bist ein tapferer Kerl«, sagte er und zwinkerte dem Jungen vertrauensvoll zu.
Guy de Gislingham lag unterdessen der Länge nach im Gras und starrte abwesend in den Himmel.
Johan, der ihre letzten Habseligkeiten zusammenpackte, ließ den Engländer links liegen und zog nur eine seiner Brauen hoch,
als Gero und Struan ihn fragend anschauten. Mit besorgter Miene deutete er auf Amelie, die mit ebenso teilnahmslosem Blick
wie der Engländer am Boden hockte.
Ihrer angeborenen Schönheit zum Trotz bot sie ein Bild des Jammers. Eingehüllt in ihr blutverschmiertes Reiseplaid wie in
einen Kokon, saß sie zitternd im Gras und wisperte unverständliche Worte. Ihr Gesicht war bleich und ihr ehemals goldfarbenes
Haar blutverkrustet. An den Stellen, wo es seinen seidigen Schimmer behalten hatte, glänzte es wie Kupfer. Von Zeit zu Zeit
ergriff sie ein heftiges Zittern.
Struan beschleunigte seine Schritte und kniete hastig neben ihr nieder.
»Mo ghraidh«, murmelte er in seiner gälischen Muttersprache und umarmte sie liebevoll. Dann fuhr er fort, ihr unaufhörlich
franzische Koseworte zuzuflüstern, wie seine Kameraden es gewöhnlich bei ihren Pferden taten, und hob sie vorsichtig auf.
»Ich muss sie waschen«, sagte er leise. »Solange sie so blutverschmiert ist, wird sie sich nicht beruhigen.«
Struan trug das völlig apathische Mädchen wie ein Neugeborenes in seinen Armen.
Johan van Elk nickte ergeben, als Gero ihn aufforderte, ein Kleid aus dem Gepäck des Mädchens herauszusuchen und dem Schotten
zum Bachlauf zu folgen.
Benommen und ohne Protest ließ Amelie es zu, dass Struan sie behutsam entkleidete und splitternackt in eine kleine aufgestaute
Wasserstelle setzte.
|118| Das eiskalte Nass holte sie augenblicklich ins Leben zurück. Unbeirrt von ihrem lauten Wimmern hielt Struan sie eisern fest
und rieb ihr beständig das Blut von Hals und Dekolleté. Immer wieder schöpfte er mit der hohlen Hand Wasser über ihr verklebtes
Haar und spülte es solange, bis es seine natürliche Farbe wiedererlangte. Prustend kam sie an die Oberfläche, nachdem er zu
guter Letzt ihren Kopf für eine Weile unter Wasser getaucht hatte. Er wollte einfach sicher gehen, dass auch die letzte Spur
des fremden Todes mit dem abfließenden Wasser verschwand. Als er Amelie half aufzustehen, holte sie überraschend aus und verpasste
ihm
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