Das Rätsel der Templer - Roman
weiteren Soldaten geradewegs in die Verdammnis.
Die übrigen Männer waren zu überrascht, um sofort zu reagieren, und stierten wie betäubt auf dem halb im Bach liegenden Kameraden
und auf das Blut, das sich stetig mit dem Wasser vermischte und es hellrot färbte.
Wie ein Greif seine Beute umfasste Struan Amelies Taille und hob sie auf die Füße. Hastig durchschnitt er ihre Fesseln und
befreite sie von dem Knebel. Ihr Haar, ihre Arme und Hände waren mit Blut besudelt. Allein der Anblick des frischen Blutes
schürte ihre Panik nur noch mehr. Ob es das eigene war? Oder das ihres Geliebten?
»Lauf weg«, zischte Struan ihr zu.
Doch Amelie war unfähig, sich auch nur eine Elle weit von ihm zu entfernen. In Todesangst presste sie ihre Handflächen vor
die Brust, als wollte sie auf diese Weise ihr rasendes Herz besänftigen.
»Los, lauf zum Lager! Verdammt, tu, was ich dir sage, Weib!«, rief Struan noch einmal, als er bemerkte, dass sie sich immer
noch nicht vom Fleck rührte.
Unterdessen hatte Gero erneut die Armbrust gespannt und den fliehenden Hauptmann ins Auge gefasst, der während des Laufens
Haken schlug wie ein Hase. Jedoch aus knapp sechzig Fuß Entfernung verfehlte der Bolzen sein Ziel.
Struan rannte dem Flüchtenden mit lautem Geschrei und erhobenem Schwert, hinterher. Dabei war es nicht nur die Rache die ihn
trieb. Wie seine Kameraden wusste auch er darum, dass man die Männer nicht lebend entkommen lassen durfte.
Wäre es um Strauchdiebe gegangen, hätte man sie getrost ziehen |113| lassen können, hier aber handelte es sich um Schergen des franzischen Königs. Sie entkommen zu lassen würde für den Schotten
und seine Kameraden den sicheren Tod bedeuten. Im Nu hätte man ein ganzes Heer von Soldaten am Hals, das jeden Templer auf
dem Weg in die deutschen Lande gnadenlos verfolgen würde. Und selbst wenn es gelingen sollte, heil über die Grenze nach Lothringen
zu gelangen: Vor der Verfolgung wegen der Ermordung königlicher Soldaten und damit Christenmord würde sie auch kein deutscher
Herrscher schützen.
Mit der kraftvollen Eleganz eines Löwen verfolgte Struan den vermeintlichen Anführer und stellte ihn am Rand des kleinen Buchenwalds.
Als der Mann bemerkte, dass es keinen Ausweg mehr gab, schnellte er herum, blieb stocksteif stehen und starrte Struan mit
seinen kalten grauen Augen beschwörend an. Offenbar gab er sich dem Irrglauben hin, dass sein hasserfülltes Gegenüber bereit
war, ihm Gnade zu gewähren. Wie gelähmt hielt er sein Schwert in der Hand, unfähig es gegen den Templer zu erheben.
Struan kannte jedoch keine Gnade. Er hatte Amelie vor Augen und wie die Männer versucht hatten, sie zu vergewaltigen. Mit
einem gewaltigen Schlag seines schottischen Breitschwertes trennte er den Leib des Soldaten von der Halsbeuge bis zur Hüfte
in zwei Hälften. Gerade so, wie er es in der Unterweisung durch die alten Veteranen des Ordens gelernt hatte. Sein Herz pochte
hart, und die Gewissheit, zu grausam vorgegangen zu sein, meldete sich zaghaft, als er sich mit dem Handrücken die Stirn abwischte,
um einige Spritzer des fremden Blutes zu entfernen.
Gero tauschte die Armbrust rasch gegen seinen Anderthalbhänder, um Struan in den jungen Laubwald zu folgen und sich an der
Suche nach dem einzig verbliebenen Söldner zu beteiligen.
»Wir schaffen das schon«, rief er Johan zu, der ihn – ebenfalls mit gezogenem Schwert – erwartungsvoll ansah. »Kümmere du
dich um Matthäus und das Mädchen! Der Junge soll die Pferde bereitmachen!«
Fieberhaft und schweigend durchkämmten die beiden Freunde das Unterholz. Abgeknickte Äste und zertretenes Farn wiesen ihnen
den Weg, den der Flüchtende allem Anschein nach genommen hatte.
Nach einer Weile blieb Struan unvermittelt stehen, hob den Kopf und schloss für einen Moment die Augen. Seine große Nase hob
sich in den Wind, und es sah aus, als würde er eine Witterung aufnehmen. Als er |114| seine Kohlenaugen langsam wieder öffnete, machte er auf Gero den Eindruck eines Wolfes, der die Fährte eines Lamms aufgenommen
hatte und der nicht eher aufgeben würde, bis er es in seinen Fängen hielt.
Gero unterließ jedes Geräusch und vermied die leiseste Bewegung.
Struan warf ihm einen wissenden Blick zu und deutete mit dem Kopf nach links in eine Ansammlung hoher Farnbüschel. Pfeilschnell
wandte er sich zur Seite und schlug, ohne zu zögern, mit einem gewaltigen Schwerthieb in einen Farnbusch hinein. Ein
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