Das Rätsel der Templer - Roman
weitläufigen Wehrgängen
und raffiniert angelegten Schießscharten heraus. Ein vierter Turm krönte das Hauptgebäude, das sich in der Mitte der gewaltigen
Anlage über die Mauern erhob. Auf dessen Spitze wehte stolz das Banner derer von Breydenbach, zusammen mit den Farben des
Erzbischofs von Trier.
Struan verspürte Erleichterung, als sie endlich das Haupttor der Burg erreichten. Der Vorhof war mit schwarzen, eckigen Steinen
gepflastert, ebenso wie der geräumige Innenhof, auf den die heruntergelassene Zugbrücke den Neuankömmlingen einen unbeschränkten
Einblick gewährte. Überall sah man spielende Kinder, Frauen, die mit Waschkörben umherliefen, und Knechte, die Karren mit
Viehfutter hinter sich her zogen.
Nachdem die Fanfaren dreimal erklungen waren, hatten die Burgwachen dem hünenhaften, schwarzhaarigen Tempelritter Einlass
gewährt. Zusammen mit fünf Pferden, einer völlig erschöpften, jungen Frau und einem schwer verletzten Kameraden hatte Struan
demütig um Zuflucht gebeten.
»Ruf den Vogt!«, rief ein Wachmann einem vorbeieilenden Knappen zu.
|185| Wenig später polterte eine gebieterische Stimme über den Hof. »Wehe, wenn da jemand einen Scherz mit mir getrieben hat!«
In schnellen Schritten nahte eine imposante Gestalt mit dickem Bauch und graumeliertem, kurz geschorenem Bart. Sein Gewand
zierte ebenfalls das Wappen der Breydenbacher. Er stutzte einen Moment, und dann erbleichte sein wettergegerbtes Gesicht in
aufrichtiger Sorge.
Der Mann stellte sich als Roland von Briey vor und ließ sofort nach dem Burgherrn und seiner Gemahlin schicken.
Jutta von Breydenbach, die als erste im Burghof erschien und ihre Tugendhaftigkeit unter einem schneeweißen Gebende und einem
hochgeschlossenen, samtbraunen Surcot verbarg, kam auf Struan zu, um ihn willkommen zu heißen. Bis ihr Mann endlich eintraf,
hatte sie schon für die notwendigste Hilfe gesorgt. Johan war blutüberströmt auf eine Trage gebettet worden, und um Amelie
sorgte sich die Burgherrin selbst, indem sie ein paar Mägde anwies, ihr einen heilenden Kräutersud zuzubereiten, der ihr Gemüt
beruhigen würde. Eine ältere Magd, die sich offenbar auf spezielle Heilkünste verstand, kümmerte sich um Johans Verletzungen.
Sichtbar aufgebracht bahnte sich der Burgherr, Richard von Breydenbach, einen Weg durch sein neugieriges Gesinde, gefolgt
von einer Schar Getreuer, die allesamt Lehensnehmer des Erzbischofs von Trier waren und sich zu einer außerordentlichen Versammlung
auf der Breydenburg eingefunden hatten.
Struan war froh, dass Richard von Breydenbach die franzische Sprache ebenso wie seine Gemahlin fließend beherrschte. Groß
und eindrucksvoll stand der Burgherr da, während sein wehendes, silberblondes Haar das kantige Gesicht umspielte. Gerüstet
mit Kettenhemd, Hirschlederhose und aufwendig gearbeiteten Stiefeln, trug er den rotweiß-blauen Wappenrock der Breydenbacher
sowie die rotgoldenen Farben des Erzbischofs von Trier. Erst bei näherer Betrachtung fiel auf, dass ihm die rechte Hand fehlte.
Struan versuchte, Geros Vater möglichst schonend beizubringen, was geschehen war. Es fiel ihm schwer, die passenden Worte
zu finden, und so beschränkte er sich zunächst auf den Überfall der Lombarden, bevor er auf die Geschehnisse in Franzien einging.
Der Burgherrin, |186| die zwischenzeitlich wieder an der Seite ihres Gemahls erschienen war, konnte man die Sorge um ihren jüngsten Sohn ansehen,
während der Burgherr Struan mit dem Blick eines Raubvogels fixierte, als er von Gero und dessen plötzlichem Verschwinden sprach.
»Geht wieder an die Arbeit!«, befahl Richard von Breydenbach in strengem Ton dem umherstehenden Gesinde. »Ihr könnt hier nichts
tun.« Dann wandte er sich der Trage mit dem verletzten Johan zu. »Bringt ihn in eines der Frauengemächer!« Abschätzend betrachtet
er die ältere Frau im dunklen Gewand, die sich mühsam aus der Hocke erhob, als die Männer die Trage aufnahmen. »Gertrudis,
du kümmerst dich um ihn«, sagte er in einem beschwörenden Befehlston. »Er darf keinesfalls sterben, hörst du? Er ist der Sohn
des Grafen Bechthold van Elk und ein wichtiger Zeuge. Notfalls lasse ich einen Medicus aus Trier holen.«
Die Frau nickte ergeben. Schwerfällig folgte sie dem hochwohlgeborenen Kranken, der zügig in Richtung Pallas getragen wurde.
Struan verfolgte das Geschehen mit besorgtem Blick, während sich der Burgherr und seine Getreuen flüsternd
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