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Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Vorzeichen deutet eigentlich mehr auf eine Vergiftung hin. Aber diese Hypothese steht auf schwachen Füßen.“
    „Und die vier Stunden Inkubationszeit bei dem Schweden?“
    In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Die Ärztin nahm den Hörer ab und meldete sich. Sie schwieg eine ganze Weile, nachdem sie wieder aufgelegt hatte. Dann sagte sie: „Um erst einmal das eine zu Ende zu bringen. Wir können die Möglichkeit einer Vergiftung nicht ausklammern. Befragen Sie doch mal die Angehörigen, sie sind jetzt alle in Quarantäne. Aber über Video. Denn die Virusvariante ist nach wie vor wahrscheinlicher.“
    „In Ordnung“, sagte Herbert. „Und was gab's am Telefon?“
    „Etwas Schlimmes“, sagte die Ärztin. „Eine Frau ist eingeliefert worden. Sie ist in ihrer Wohnung eingeschlafen.“
    Am Klang ihrer Stimme merkte Herbert, daß das noch nicht alles war. „Ja?“ fragte er.
    „Sie ist schwanger.“
     
    Die Projektanten waren seit einigen Jahrzehnten mit dem Abreißen vorsichtiger geworden. Es kam vor, daß die Produktion in so einem alten Gebäude nach fünf oder zehn Jahren wechselte, und deshalb ließ man alles stehen, was nicht direkt abbruchreif war. Wer konnte wissen, ob nicht die Nachfolger gerade das brauchen würden? So war auch der alte Schornstein erhalten geblieben, in dem K. O. am vergangenen Donnerstag den Autoklaven untergebracht hatte, der für das scheinbar mißglückte Experiment gebraucht worden war. Jetzt waren Wiebke und K. O. froh darüber, daß sie noch keine Zeit gefunden hatten, die Versuchsanordnung abzubauen. Nur wenige Vorbereitungen waren erforderlich, um das Experiment zu wiederholen.
    Dieser Versuch, der nachträglich zu einem Höhepunkt ihrer Arbeit geworden war, hatte eine lange Vorarbeit gekostet. Die Grundidee war einfach gewesen; sie hatte darin bestanden, das Plastmaterial mechanisch so weit zu zerkleinern, daß die Bakterien die größtmögliche Angriffsfläche für ihre zersetzende Tätigkeit bekamen. In Laborversuchen war die geeignetste Korngröße ermittelt worden. Dieses Verfahren brachte im Labor tatsächlich bessere Ergebnisse als die zur Zeit verwendete Technologie in den Schwemmen.
    Als aber die technische Anwendung diskutiert wurde, gab es plötzlich Probleme. Jede Art von Staub aus kohlenstoffhaltigen Materialien ist ja bekanntlich explosionsverdächtig, und die ermittelte optimale Korngröße des Plaststaubs lag im explosivgefährdeten Bereich. Versuche mit einer Suspension, einer Aufschwemmung in Wasser, brachten schlechtere Ergebnisse als die bereits laufenden Schwemmen.
    Also mußte ein Druckgefäß, ein Autoklav, her. Und als er dann kam, wurden wiederum Berechnungen notwendig. Biologisches Material durfte unter keinen Umständen entweichen – also mußten die Überdruckventile so belastet werden, daß bei einer eventuellen Explosion Druck und Temperatur im Autoklaven so weit ansteigen konnten, bis alles Biologische zuverlässig vernichtet war.
    Am Donnerstag vergangener Woche war es endlich soweit, der Versuch lief – und endete mit einer Explosion.
    Der scheinbare Mißerfolg hatte zur Entdeckung einer noch besseren Variante geführt, und nun konnte der Versuch wiederholt werden, diesmal nicht mit dem Risiko, sondern mit dem Ziel einer Explosion.
    Die Feuerung, der der Schornstein einst gedient hatte, existierte schon lange nicht mehr, auch die Halle war ungenutzt, so daß es recht einfach gewesen war, den tonnenschweren Autoklaven auf einem Luftkissensockel hineinzuschieben. Eine Stahltür hatte, schon als das Labor in dieses Objekt eingezogen war, den Schornsteinmund verschlossen. Sie zu öffnen, war, so seltsam das klingen mag, der schwierigste Teil der Arbeiten gewesen.
    Der Autoklav hatte mitsamt der Beschickungsmechanik im Innern des Schornsteins Platz gefunden, und nur die Zuleitung für die vorgewärmte Luft und ein Kabel für die Meß- und Steuerungsgeräte hatten durch ein Loch in der Tür geführt werden müssen. Das andere hatte in einer Ecke des ehemaligen Heizhauses Platz gefunden: ein Winderhitzer von der Größe eines Aktenschrankes, ein paar Armaturkästen auf Klapptischen und eine Lichtquelle auf einem Stativ.
    Alles erweckte den Eindruck der Improvisation, den Wiebke liebte und der ihr für ihre Experimente unentbehrlich war. Dabei war es keine echte Improvisation, die sie nie zugelassen hätte. Jeder ihrer Versuche wurde gründlich und genau vorbereitet, wie auch jetzt wieder, als sie gemeinsam mit K. O. noch einmal das Protokoll

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