Das Rätsel Sigma
ein Mädchen dabei, ich kann dir sagen… Wir haben ausgemacht, wir kriechen durch die Anlage und entnehmen Proben, ich weiß noch nicht wo, aber es wird wohl bevorzugte Stellen geben, an denen sich so was absetzt. Und dann werfen wir das Elektronenmikroskop an.“
„Also gut“, meinte Herbert, „wenn du so scharf bist auf die… Viren…, dann befaß dich von mir aus damit! Aber vorher mußt du mir assistieren. Unsere Volksbefragung vom Vormittag hat sich als nutzlos erwiesen. Wir machen gleich noch eine.“
Er berichtete, was er seit Mittag erlebt hatte, und schloß: „Diese ausländischen Touristen ermöglichen uns eine gezielte Fragestellung. Durch sie haben wir eine einigermaßen genaue Zeitvorstellung. Vier Stunden, nachdem sie von hier abgefahren sind, ist der Mann eingeschlafen. Wir werden also jetzt die Angehörigen der Kranken befragen, was die Patienten drei bis fünf Stunden vor dem Einschlafen getan haben, wo sie waren und was sie zu sich genommen haben. Wir machen das über Video.“
Ein paar Schaltungen, ein paarmal Bildwechsel, und dann… „Schirin!“ rief Leif überrascht. „Was machst du denn da?“
Schirin hatte sich schneller gefaßt. „Das siehst du doch“, sagte sie, „ich führe euch die Bürger zu, die ihr befragen wollt!“ Sie trat beiseite und machte einem älteren Mann Platz. Leif ärgerte sich, daß hier anscheinend alles so gut vorbereitet war, sonst hätte er noch ein paar persönliche Worte austauschen können. Aber vielleicht war hinterher Gelegenheit dazu.
Herbert fragte, Leif notierte, Schirin wechselte die Befragten. Schwierigkeiten hatten sie nur mit einem; er schlief mehrmals ein. Schirin erklärte, das ginge mit ihm schon so, seit er in Quarantäne sei. Aber schließlich erhielten sie auch von ihm Antwort auf alle Fragen.
Sie waren gerade mit der vorletzten Person fertig. Herbert bedankte sich, aber die Frau stand nicht auf, sondern blickte etwas hilflos zur Seite, dahin, wo Schirin sitzen mußte. „Sie ist eingenickt“, sagte sie. „Tüchtiges Mädchen. Was sie heute so geleistet hat – und immer freundlich…“
„Eingeschlafen?“ fragte Herbert erstaunt. Aber Leif schaltete schneller. „Schirin!“ schrie er. „Schirin, wach auf! – Schnell, wecken Sie sie!“
Die Frau bekam jetzt auch einen Schreck, sprang auf, man hörte, wie sie auf Schirin einsprach, und dann tauchte Schirin schlaftrunken auf dem Bildschirm auf. „Entschuldigt bitte“, stammelte sie, „ich weiß auch nicht – es hat mich einfach gepackt!“
Leif atmete auf. „Und ich hatte schon Angst, du wärst auch…“
„Ach wo“, sagte Schirin und lächelte mühsam, „aber verdammt müde bin ich trotzdem. Ich leg mich nachher hin, macht weiter.“
Herbert zögerte. Ein Gedanke war ihm gekommen, der sich nicht zurückdrängen ließ. „Hier sind die Fragen“, sagte er zu Leif, „mach du mal allein weiter, ich muß etwas erledigen.“
Er ging in ein anderes Zimmer und ließ sich mit Dr. Monika Baatz verbinden.
„Etwas Neues?“ fragte die Ärztin.
„Ja. Halten Sie es für möglich, daß es eine – sagen wir mal: eine mildere Form der Krankheit gibt?“
„Mildere Form? Wie stellen Sie sich das vor?“
„Mir ist aufgefallen, jetzt bei der Befragung: Ein Patient und eine Schwester der Quarantänestation schlafen ständig ein, werden aber wieder wach.“
„Die Namen?“ fragte die Ärztin sachlich, und nachdem sie sie notiert hatte, sagte sie: „Ich werde das sofort untersuchen. Das – das würde auch manches andere erklären… Nein, fragen Sie jetzt nichts, ich rufe Sie an, sobald ich mehr weiß!“ In diesem Augenblick klopfte es. Oberleutnant Hoffmeister, der Offizier der Volkspolizei, mit dem Herbert schon so erfolgreich zusammengearbeitet hatte, trat ein; seltsamerweise trug er Zivil. „Man hat mir gesagt, ich würde Sie hier finden“, sagte er zu Herbert. „Kann ich Sie einen Augenblick sprechen – allein?“
„Worum geht's denn?“ fragte Herbert verwundert und bat ihn ins Nebenzimmer.
„Haben Sie keine Verwendung für mich?“ sagte der Offizier.
„Wieso?“ fragte Herbert lächelnd, „hat die VP Sie rausgeschmissen?“
Der Offizier reagierte nicht auf den Scherz. Herbert sah ihn genauer an und entdeckte in seinem Gesicht tiefe Besorgnis.
„Erzählen Sie, was ist los!“ sagte er.
„Machen Sie mir keine Vorwürfe, das tu ich selbst schon“, bat der Offizier. Dann sagte er dumpf: „Meine Frau ist eingeschlafen. Sie wurde am Nachmittag
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