Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
länger bei den Verwandten bleiben, ein Doktorand kann sogar die Quarantäne nutzen – aber wie steht es mit der Versorgung eines Wellensittichs, den ein älterer Mann in der Wohnung zurücklassen mußte? In der Bezirkshauptstadt gab es zwar eine Klinik für kleine Haustiere mit stationärer Behandlung, aber die war überfüllt. Die Nachbarn konnte man nicht darum bitten – die Wohnung durfte ja nicht betreten werden. Schirin telefonierte eine halbe Stunde herum und konnte den Fall dann doch lösen. Sie trieb eine Schwester des Kreiskrankenhauses auf, die dort in der Nähe wohnte und sich verpflichtete, den Vogel – unter Einhaltung aller möglichen Schutzmaßnahmen gegen eine Infektion – täglich zu versorgen. Als sie jedoch nun dem Vogelbesitzer das Ergebnis ihrer Bemühungen mitteilen wollte, lag der Mann angezogen auf seinem Bett und schlief. Schirin weckte ihn.
    „Danke schön“, sagte er und gähnte, aber dann erschien ihm das wohl doch etwas zu mager, und er fügte hinzu: „Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, vor allem wegen meiner Frau. Wenn sie im Krankenhaus aufwacht, wird ihre erste Frage sein, wo ich bin, und die zweite, wie es dem Vogel geht. Aber was ist überhaupt mit der Krankheit? Haben die Ärzte schon etwas herausgekriegt?“
    Schirin schüttelte den Kopf. „Ich habe nur soviel gehört, daß heute nacht internationale Spezialisten eintreffen sollen, die werden uns sicher weiterhelfen. So ein Kreiskrankenhaus kann ja nicht auf alles eingerichtet sein.“
    „Bestimmt werden sie das“, sagte der Mann in einem Ton, als sei er es, der Schirin trösten müsse. „Dann werde ich mal noch ein bißchen schlafen, ich bin heute den ganzen Tag schon so entsetzlich müde.“
    Schirin bekam einen Schreck. „Ich werde dem Arzt Bescheid sagen, Sie sehen wirklich nicht gut aus.“
    Einen Augenblick lang glaubte sie, der Mann könne sich vielleicht angesteckt haben. Sein Gesicht sah geschwollen aus, die Augen waren gerötet. Aber dann fiel ihr wieder ein, was ihnen über die Krankheit und deren Ausbruch gesagt worden war, das traf hier nicht zu. Der Mann war wohl einfach von den Ereignissen überfordert, er war ja auch nicht mehr der Jüngste. Trotzdem, es wäre sicherlich nicht falsch, wenn der Arzt ein Auge auf ihn hätte.
    „Ich sag Ihnen Bescheid, wenn es Abendbrot gibt!“ meinte Schirin. Aber der Mann schlief schon.
     
    „Sehr gut, sehr gut“, murmelte Dr. Monika Baatz, als Herbert berichtet hatte. Dann blickte sie ihm ins Gesicht und sagte offen: „Gut, daß Sie hier sind. Sie bringen wenigstens Bewegung in die Zusammenhänge. Wir treten auf der Stelle.“
    „Wie behandeln Sie die Kranken?“ fragte Herbert.
    „Gar nicht. Wir wissen viel zuwenig. Vor allem wissen wir nichts über den Ausbruch der Krankheit, die Kranken können uns ja keine Auskunft geben, und den Verwandten ist nichts aufgefallen. Ach, jeder Mensch sollte medizinisch wenigstens soweit gebildet sein, daß er merkt, wenn es seinem Nachbarn nicht gut geht, und daß er ein paar wichtige Merkmale auseinanderhalten kann!“
    Herbert erinnerte sich an das eigenartige Gefühl, das er beim Auffinden des Jungen gehabt hatte, das Gefühl, etwas zu übersehen.
    „Zum Ausbruch der Krankheit kann ich Ihnen vielleicht etwas sagen“, meinte er zögernd. „Können Sie mir die versprochene Lektion über die Merkmale des Schlafs nicht im Auto halten?“
    „Wenn es sich lohnt – immer!“
    „Ich kann nichts versprechen, aber ich glaube, es lohnt sich. Kommen Sie. Halt – haben Sie eine Aktentasche oder Kollegtasche oder so was? Mit einem Henkel dran, so 'nem Griff, na, Sie wissen schon.“
    „So etwas?“ fragte Frau Dr. Baatz lächelnd und nahm eine Tasche aus dem Schrank.
    „Genau“, sagte Herbert. „Kommen Sie!“
    Draußen regnete es, die Schönwetterperiode war anscheinend vorbei – so ein richtiger, nicht allzu heftiger, aber dafür lang anhaltender Landregen. Monika Baatz stellte keine Fragen. Sie hinterließ beim Pförtner nur die Telefonnummer des Wagens, dann stiegen sie ein.
    „Sind Sie nun schon ein Stück weiter in der Hauptfrage?“ erkundigte sich Herbert, als sie sich in den Verkehr eingeordnet hatten.
    „Was halten Sie für die Hauptfrage?“ fragte die Ärztin zurück.
    „Ob der Schlaf unerweckbar ist.“
    „Sie kennen sich aus auf dem Gebiet?“
    „Ich hab mich inzwischen etwas informiert. Retikuläres System des Hirnstamms. Synchronisierter und desynchronisierter Schlaf, auch orthodoxer und paradoxer

Weitere Kostenlose Bücher