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Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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des Donnerstag-Versuchs durchging.
    Überflüssige Gegenstände, Beengtheit des Raums, unnütz herumstehende Leute – so etwas störte sie, behinderte sie in ihrem Bemühen, mit ihrem Denken und Fühlen in die Versuchsprozesse förmlich hineinzukriechen, sich bildhaft vorzustellen und gleichzeitig gedanklich zu beherrschen, was in den Geräten vorging. Deshalb empfand sie es als eine Störung, als der Direktor in die Halle kam und Erfolg wünschte.
    Wiebke bedankte sich so kurz, daß es auffallen mußte. „Schon gut, schon gut, ich geh ja schon, ich wollte nur ausrichten: Dein Mann hat anrufen lassen, daß er heute nicht nach Hause kommt!“
    Das war bestimmt nicht der Grund, das konntest du mir auch hinterher sagen! dachte Wiebke. Aber dann besann sie sich, sie durfte ja den Direktor nicht einfach hinauswerfen, auch wenn er sicherlich sogar dafür Verständnis haben würde. Sie lud ihn also ein zu bleiben, worauf er sich ohne ein weiteres Wort in eine Ecke setzte. „Eine Minute Konzentration!“ befahl Wiebke.
    Kein Gedanke mehr an irgend etwas anderes, keine Aufregung mehr über die Frage, wird's oder wird's nicht, nur gebändigte, ganz beherrschte Erregung. Wiebke drückte einen Knopf. „Protokoll ab!“ sagte sie.
    Von jetzt an registrierte das achtspurige Tonband alle Meßwerte, Steuerbefehle und auch Wiebkes Kommentare. Sie und K. O. hatten Sprechgarnituren angelegt, die sie miteinander und mit dem Protokoll verbanden. Das war schon wegen des Winderhitzers nötig, eines uralten Gerätes, das mächtig lärmte und außerdem noch von Hand reguliert werden mußte, womit K. O. völlig ausgelastet war.
    Der Winderhitzer begann zu tosen, die Pumpen füllten den Autoklaven mit heißer Druckluft, dann wurde der Rührstrahl eingeschaltet, er bestand aus Luft, die durch Sickerventile abging und wieder vorgewärmt wurde, bevor sie erneut in den Reaktionsraum eingeführt wurde. Nach Minuten war alles so einreguliert, daß die Innentemperatur konstant blieb.
    „Ich schieße das Plastpulver ein“, sprach Wiebke ins Protokoll, „zum gleichen Zeitpunkt wie beim ersten Versuch. Dann kommt das biologische Material dazu. In weiteren Versuchsreihen wird zu ermitteln sein, welcher Zusatz statt dessen benutzt werden soll, da die Explosion stets die Bakterien zersetzt. Bei dieser ersten Wiederholung jedoch wollen wir keine Abweichung zulassen. – Jetzt ist es soweit. Ich schieße die Bakterien ein.“
    Dann herrschte wieder Stille, wenigstens unter den Kopfhörern. Das Geräusch des Winderhitzers drang nur sehr gedämpft durch.
    Wiebke blickte auf die Uhr. „An dieser Stelle“, sprach sie, „begann beim ersten Versuch ein leichtes Ansteigen der Temperatur. Es bleibt aus.“
    „Soll ich hochregeln?“ fragte K. O. „Nein“, entschied Wiebke.
    Sie warteten. „Zu dieser Zeit fand die Explosion statt.“
    Sie warteten weiter. Der Versuch lief ohne Störung. „Wir machen durch, bis wir auf die vorgesehene Zeit kommen!“ erklärte Wiebke.
    Nichts ereignete sich. So sehr sie auch diesmal eine Störung wünschten, das Experiment lief so ab, wie es am Donnerstag hätte ablaufen sollen.
    „Rührstrahl aus, Winderhitzer aus, alle Geräte aus!“ sagte Wiebke schließlich.
    Das Tosen erstarb. Es wurde still in der Halle. „Der Plaststaub ist zu inhomogen“, erklärte Wiebke nach einer Weile ruhig. „Deshalb wird nie die Sicherheit und immer die Gefahr einer Explosion bestehen. Das eine wie das andere ist also technisch nicht durchführbar.“ Sie lächelte dem Direktor zu, der sie abwartend anblickte. „Da werde ich mir etwas anderes einfallen lassen müssen.“
    „Du nimmst mir das Wortsaus dem Mund“, sagte Direktor Uhl und nickte bestätigend. „Wie ich dich kenne, wirst du wohl heute nicht nach Hause gehen, bis dir etwas eingefallen ist?“
    „Ich bin zu Hause“, sagte K. O. „falls du mich brauchst.“
    „Wenigstens bis ins Labor könnt ihr mich aber noch bringen!“ sagte Wiebke und lachte.
     
    Ein ganzer Stab von Ärzten umstand schweigend die Diagnostik-Anlage mit der schlafenden werdenden Mutter und die Gynäkologin, die sie untersuchte.
    Bei aller Erregung über die neue Krankheit hatte man sich bisher doch immer noch ein wenig mit dem Gedanken trösten können: Eine Art Schlafkrankheit oder krankhafter Schlaf, na gut, wir werden schon dahinterkommen, und wenn nicht wir, dann die Spezialisten. Das Wissen und Können der sozialistischen Gemeinschaft stand zur Verfügung, wenn es sein mußte, auch das der

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