Das Rätsel Sigma
hat denn Ihr Mann heute früh gegessen, und was hatte er mit?“
„Früh hat er wie immer Bratkartoffeln und Rührei gegessen; ist so 'ne Angewohnheit von ihm. Und mit hatte er eine Flasche mit Tee und Stullen. Können Sie damit etwas anfangen?“
„Leider nicht. Eine Kuh haben Sie nicht?“
Frau Martens schüttelte den Kopf. „Vieh hält hier keiner mehr. Die meisten jungen Leute sind weggezogen, erst in letzter Zeit kamen ein paar Neue. Und die Alten machen sich nicht die Arbeit – wozu auch.“
„Trinkt Ihr Mann Milch?“
„Ganz selten. Früh haben wir noch keine frische, das ist eben der Nachteil, und abends trinkt er lieber ein Bier. Wieso, ist was mit der Milch?“
„Ja, wir hatten Grund zur Annahme, daß das Gift in ganz bestimmten Milchlieferungen steckte – in ganz bestimmten Lieferungen, Moment mal, vielleicht liegt da der Haken…“
„Sie sind doch schon ganz woanders mit Ihren Gedanken?“ sagte Frau Martens. „Sie wollten ja auch nach Kentzien. Fahren Sie nur, ich komme hier schon zurecht.“
Herbert gab ihr noch seine Rufnummer und die des Kreiskrankenhauses und versprach wiederzukommen. Dann verabschiedete er sich. Als er wieder an dem Feld ankam, war der Kranke schon abgeholt. Für sie war es Zeit, zum Flugplatz zu fahren, wenn sie den Flugplan nicht durcheinanderbringen wollten.
„Herbert?“ fragte Fred Hoffmeister unsicher, als sie schon an der Wache vorfuhren.
„Ja?“
„Sollten wir nicht diese Geschichte mit dem Kombinefahrer genauer untersuchen?“
„Ich hab auch irgendwie das Gefühl“, gestand Herbert ein. „Sie paßt so gar nicht in alle unsere Theorien. Aber wir sind lange genug hin und her geirrt. Richtig ist wohl trotzdem, wenn wir erst die Hauptspuren verfolgen.“
In der Ferne wurde der Flugplatz sichtbar.
DIENSTAG NACHMITTAG
Es war kein technisches Wunderwerk, das K. O. da zusammengebastelt hatte: eine Trommel aus Stahl und Draht, dazu bestimmt, ein Stück Plastfolie aufzunehmen und zu rotieren, ein Elektromotor, der das Ganze antrieb, ein starker Impulslaser, axial verschiebbar angebracht, dazu Schalter und Regelwiderstände – das war alles.
Für Wiebke jedoch war diese hoffnungslos altmodisch aussehende Maschine im Augenblick der Mittelpunkt des Weltalls. Das mißglückte und nun doch folgenreiche Experiment der vergangenen Woche, der Vormittagsstreit mit dem Vertreter der Bakterienbude, vielleicht auch die Tatsache, daß gerade jetzt ihr Mann sich sonstwo herumtrieb und sie nicht in gewohnter Weise mit ihm sich austauschen konnte – all das hatte sie in eine brennende Erregung versetzt, einen Zustand rücksichtsloser Zielbewußtheit, in einen Anfall von Ehrgeiz, wenn sie die Sache richtig beim Namen nannte. Aber das wollte sie eigentlich gar nicht; nichts wollte sie im Augenblick weniger als über sich selbst nachdenken. Doch sie war gezwungen, ihre Ungeduld niederzukämpfen, denn K. O. saß ungerührt in einer Ecke und studierte mit Hingabe einen Stapel Blätter, die er sich hatte telekopieren lassen: Arbeitsschutzanordnungen über den Umgang mit Lasergeräten.
Wiebke hatte geglaubt, sie habe sich daran schon wie an einen Ritus gewöhnt, und es hatte ja auch genügend Fälle, genügend Erfahrungen gegeben, wo sich diese Sorgfalt ihres Mitarbeiters als notwendig und nützlich erwiesen hatte, erst letzte Woche, bei diesem Experiment – K. O. hatte darauf bestanden, daß die Ventile des Autoklaven zusätzlich belastet wurden –, wer weiß, ob sonst dieses weiterführende Resultat herausgekommen wäre? Aber es nützte nichts, daß sie sich das alles vor Augen hielt, daß sie sich auch an weiter zurückliegende Vorfälle erinnerte – ihre Ungeduld wuchs sprunghaft.
„Gleich, gleich!“ sagte K. O. aus seiner Ecke, ohne von seinen Blättern aufzusehen, und Wiebke staunte wieder einmal, als ihr klar wurde, daß sie ja gar nichts gesagt hatte, keinen Ton, nicht einmal ein Räuspern hatte sie von sich gegeben. War sie wirklich so leicht zu durchschauen? War ihr Verhalten so dutzendnormal? Aber wohin verliefen sich ihre Gedanken! Sie merkte, daß ihre eigene Ungeduld sie verwirrte, und bemühte sich, wieder an den bevorstehenden Versuch und nur daran zu denken.
„Eine Strahlenfalle und einen Blendschutz brauchen wir“, sagte K. O. „Und Schutzbrillen. Aber die haben sie ja gleich mitgeliefert, passend zur Frequenz.“
„Wie lange?“ fragte Wiebke knapp.
„Eine halbe Stunde“, antwortete K. O. gleichmütig. „Ich habe eigentlich nur noch
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