Das Rätsel Sigma
Anlagen?“
„Allerdings“, sagte die Direktorin. „Um Abschlüsse über -zig Millionen!“
Jetzt begriff Herbert, aber er konnte es nicht billigen. „Dann beziehen wir doch die Delegation in unsere Unterhaltung ein!“ schlug er vor.
Die Direktorin erhob sich. „Das kann ich nicht zulassen!“ erklärte sie bestimmt. „Wenn irgend etwas an unserer Produktion nicht in Ordnung ist, dann teilen wir das dem Abnehmer mit. Außerdem übernehmen wir ja die Garantie. Aber die Verhandlungen mit Vermutungen belasten – nein!“
Fred Hoffmeister war dem Gespräch stumm gefolgt. Das Drumherumreden hatte ihn erbittert, aber die jetzige Haltung der Direktorin, die ihm auch noch den sowjetischen Freunden gegenüber unehrlich vorkam, empörte ihn. Aber wie eingreifen? Mit einem Trick wie unten vor dem Eingang ging das wohl nicht. Tatsachen! Mit Tatsachen dem anderen das Falsche seiner Handlung sinnfällig vor Augen führen – das war eine Methode, die er in vielen Vernehmungen angewandt hatte. Wenn das auch hier ginge? „Sie erlauben doch, daß ich Ihr Video benutze?“ fragte er.
„Bitte“, sagte die Direktorin förmlich.
Fred Hoffmeister rief die Datenbank im Kernkraftwerk Neuenwalde an. „Könnt ihr uns einen Blick in den Schlafsaal vermitteln?“ fragte er. Leif zögerte.
„Doch, bitte, tu das“, sagte Herbert.
Der Schlafsaal wurde sichtbar. Die Patienten lagen, je fünf auf jeder Seite, in ihren Betten, kaum zu erkennen unter dem Aufbau der elektronischen und der anderen medizinischen Geräte. Ärzte und Schwestern bewegten sich im Raum hin und her, bemühten sich um den einen oder anderen Patienten.
„Jetzt hören Sie gut zu“, sagte Fred Hoffmeister zu der Direktorin, „und sehen Sie genau hin. Hier liegen zehn Menschen, die seit Sonntag abend eingeschlafen sind. Ob sie jemals wieder aufwachen, wissen wir noch nicht. Wir können bis jetzt nur hoffen und suchen. Sehen Sie den dritten Patienten auf der rechten Seite? Die Frau? Sie war eine der ersten, die es traf. Heute vormittag hatte sie einen leichten epileptischen Anfall. Die Ärzte glauben, daß es sich um sekundäre Vergiftungserscheinungen handelt, die zunehmen werden. Alle diese Menschen und noch achtzehn andere waren bis vorgestern munter und gesund. Sie alle haben Freunde und Verwandte. Sie haben auch Direktoren, die große Stücke auf sie halten. Ich könnte Ihnen noch mehr Kranke zeigen. Ein Kind. Eine werdende Mutter. Haben Sie Kinder? Ich sage Ihnen: Vielleicht ist niemand direkt schuld an dieser Vergiftung. Aber schuldig ist in jedem Falle, wer ihre Aufdeckung verhindert oder verlangsamt oder vielleicht weiteren Erkrankungen Vorschub leistet! Danke für die Aufmerksamkeit!“ Er schaltet das Bild ab.
Ein drückendes Schweigen herrschte im Zimmer. Dann sagte die Direktorin: „Gehen wir also zur Delegation!“
Erfrischungen standen auf einer Tafel, an der alle Platz nahmen. Die Direktorin erhob sich und sagte, sie würde lieber die fröhliche Rede halten, die sie für diesen Anlaß vorbereitet habe, aber es seien Umstände eingetreten, ernste Umstände, mit denen man sich sofort und in diesem Rahmen befassen müsse. Sie stellte Herbert und Fred vor und gab dem Inspektor das Wort.
Herbert erläuterte – zum wievielten Male nun? – das Problem. Es dauerte etwas länger, weil Satz für Satz übersetzt werden mußte. Diesmal schloß er mit drei Fragen: „Ist es denkbar, daß Lactapur am Zustandekommen einer giftigen Substanz beteiligt ist? Wo wird seit wann das Mittel produktiv erprobt? Stammen die Auslieferungen an die Erprobungsstellen aus ein und demselben Herstellungsprozeß?“
Der Chef des Empfangskomitees, wie Herbert ihn bei sich genannt hatte, der Mitarbeiter also, der nach Auskunft der Direktorin an der Entwicklung von Lactapur entscheidenden Anteil hatte, war anfangs, als die beiden vorgestellt wurden, recht betreten gewesen, und man hatte ihm das auch angesehen. Während der Erläuterungen war er rot geworden im Gesicht, zuerst vielleicht vor Verlegenheit, jetzt aber vor Wut, das war unverkennbar, denn kaum hatte Herbert geendet, da sprang er auf und erklärte: „Das ist alles absurd. Ich will bei der zweiten Frage anfangen. In fünf Zehntausender-Anlagen unseres Landes wird seit Freitag beziehungsweise Sonnabend das Mittel erprobt, aber nur in einer treten Vergiftungen auf. Alle bisherigen Lieferungen von Lactapur stammen aus derselben Pilotanlage, die in Leuna läuft. Und nun zu dem Mittel selbst. Es ist absolut
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