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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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die die
Mitglieder irgendwo ausgegraben oder selber verfasst hatten.
Manchmal wurden hoffnungsvolle junge Autoren zu einer Lesung oder
zu Vorträgen eingeladen. Es fanden auch Themenabende statt,
und hin und wieder, aber selten, gab es Musik- oder Theaterabende.
Das Ganze war ziemlich snobistisch und elitär angehaucht, und
die Sitzungen waren immer mit reichlich Alkoholkonsum verbunden.
Manchmal konnte es zu vorgerückter Stunde fast zu einer Orgie
ausarten.«
    »Was hat dich dazu bewogen,
diesem Verein beizutreten?«
    »Eitelkeit.«
    »Wie meinst du
das?«
    »Ich war ziemlich bewandert in
ausländischer Literatur. Ein Onkel von mir, der zur See fuhr,
brachte mir immer Bücher aus dem Ausland mit, die ich
provisorisch übersetzte. Deswegen konnte ich immer ganz
interessante Sachen beisteuern. Ich fühlte mich geschmeichelt,
als mir die Mitgliedschaft angeboten wurde, und ich habe mir auch
ganz gern einen genehmigt.«
    »Und was ist dann eigentlich
passiert?«
    »Wenn neue Mitglieder
aufgenommen wurden, mussten sie sich unter das Schwert beugen, wie
es hieß. Der Verein hatte ein Schwert in seinem Besitz, eine
ziemlich getreue Kopie der alten Wikingerschwerter, die man eigens
vor etlichen Jahren für den Verein hatte anfertigen lassen.
Diese Waffe war sowohl schwer als auch scharf. Ein Vereinsmitglied
hielt das Schwert gezückt über einem Hauklotz, und das
neue Mitglied musste sich darunter beugen. Dazu wurde ein Abschnitt
aus der Jómswikingersaga gelesen, und an einer bestimmten
Stelle ging das Schwert nieder. Diese Rezitation endete
ungefähr so: ›Einer der Höflinge nimmt das Haar,
wickelt es sich um die Hand und hält Sverrir mit beiden
Händen fest für den Hieb. Þorkell hebt das Schwert
und haut scharf zu.‹ Bei diesen Worten sollte das Schwert
niedergehen. Das neue Mitglied sah immer den Schatten seines
Henkers und konnte rechtzeitig den Kopf wegziehen. Es galt als
mutig, genau bis zu der Sekunde zu warten, bis das Schwert
niederging. Dann riefen alle im Chor: ›Wer von dieser Truppe
liegt mir in den Haaren?‹, und der Neuling galt als
eingeweiht.«
         
     
    »Warum hast du damals das
Schwert geführt?«
    »Das war eine gewisse Ehrung.
Wenn man einige Zeit in dem Verein gewesen war und sich verdient
gemacht hatte, durfte man einmal das Schwert führen und
gelangte dadurch zu höheren Ehren. An diesem Abend schlug
Bryngeir mich für die Rolle vor.«
    »Und dann kam es zu dem
Unfall?«
    »Ja, es kam zu einem Unfall,
oder jedenfalls sah es wie ein Unfall aus. Ich ließ beim
Stichwort das Schwert niedergehen und sah auch aus den
Augenwinkeln, dass Einar sich vom Hauklotz wegschob. Aber dann
hatte es den Anschein, als hätte er sich an etwas
gestoßen, er fiel wieder nach vorn und landete direkt unter
dem Schwert. Es fuhr ihm in den Nacken, und er war im gleichen
Moment tot.«
    »Und wie hast du
reagiert?«
    »Ich war völlig
fassungslos. Als das Schwert auf Widerstand stieß,
fühlte sich das erst hart an, etwa so wie der Hauklotz gewesen
wäre, aber dann gab es nach und wurde auf einmal eigenartig
weich. Als ich begriff, was geschehen war, verlor ich die Besinnung
und knallte mit dem Kopf gegen die
Tischkante.«
    Kjartan hob die Hand und strich sich
über die Narbe an seiner Stirn.
    »Es war dann also ein Unfall,
oder was?«
    »Ja natürlich, ein
entsetzlicher Unfall, aber dann behauptete jemand, ich hätte
das Schwert zu früh niedergehen lassen. Und statt der Polizei
gegenüber mir zur Seite zu stehen, bezeugten meine Kameraden,
dass ich früher und fester zugeschlagen hätte, als es
üblich war. Sie sagten aus, dass es normalerweise nur ein
harmloser Hieb war, der niemanden in Gefahr bringen
konnte«.
    »Stimmte
das?«
    »Nein, es gehörte zu der
Zeremonie, dass das Schwert nach dem Hieb fest im Hauklotz stecken
musste.«
    »Meinen Informationen zufolge
hast du später Bryngeir die Schuld an dem Unfall
gegeben?«
    »Ja. Als einige Tage
später die Panik ein wenig nachließ, war ich imstande,
mir die Szene wieder ins Gedächtnis zu rufen. Ich bin mir
sicher, dass Bryngeir hinter Einar gestanden und ihn nach vorn
gestoßen hat.«
    »Dir wurde nicht
geglaubt?«
    »Nein, denn irgendjemand sagte
aus, dass Bryngeir überhaupt nicht im Saal gewesen wäre.
Das wurde schließlich sogar gegen mich verwendet, und bei der
Urteilsverkündung wurde die Strafe verschärft. Es
hieß, dass ich falsche Anschuldigungen gemacht hätte.
Ich war fünf Jahre im Gefängnis, wie du
weißt.«
    Ingimundur nickte

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