Das Raetsel von Flatey
zu unterdrücken, als du ihm
den Rücken aufgeschlitzt und die Lungen herausgerissen hast.
Oder war es vielleicht sogar die Ärztin, die da zu Werke ging?
Na, wie dem auch sei, als das erledigt war, habt ihr ihn über
den Grabstein gelegt und seid nach Hause gegangen, um diese
verdienstvolle Tat zu feiern. Ihr hattet bloß nicht so viel
Verstand, ihm in die Tasche zu gucken und die Papiere zu finden,
die er kurz zuvor gestohlen hatte.«
Kjartan ging nicht darauf ein,
sondern fuhr mit der Hand in die Tasche und zog ein Tablettenglas
hervor.
»Was hast du da?«, fragte
Ingimundur.
»Das ist das Mittel, das ich
von Jóhanna bekommen habe. Ich glaube, ich brauche wieder
eine Dosis. Diese Anschuldigungen sind
ungeheuerlich.«
Ingimundur nahm ihm das
Fläschchen ab, las, was darauf stand, und steckte es in seine
Tasche.
»Warten wir erst nochmal ab.
Die Theorie meines Kollegen ist gar nicht so unwahrscheinlich, aber
sie muss trotzdem etwas verbessert werden. Ich habe gerade den
vorläufigen Autopsiebericht erhalten, und da steht, dass
Bryngeir ertrunken ist und wahrscheinlich schon lange tot war, als
er aufgeschlitzt wurde.«
Lúkas fiel aus allen Wolken.
»Im Meer ertrunken?«, fragte er.
»Nein, in
Süßwasser«, antwortete
Ingimundur.
»In Süßwasser? Aber
gibt’s denn hier auf der Insel einen Teich oder einen
Bach?« Lúkas blickte Gemeindevorsteher Grímur
an.
»Nein. Nur den Tümpel bei
der alten Schanze, aber der war nach dieser Schönwetterperiode
schon fast ausgetrocknet«, antwortete
Grímur.
Ingimundur las das Blatt wieder und
blickte dann auf Kjartan. »Unser Kollege in Reykjavík
hält es für denkbar, dass Bryngeir in einer Badewanne
ertrunken ist, und im Arzthaus gibt es davon ein Exemplar, wie mir
gesagt wurde. Vielleicht wurde das arme Schwein erst mal in der
Badewanne ertränkt, bevor er aufgeschlitzt wurde. Ihr habt ihn
im Arzthaus überrascht und ihn da umgebracht. Wäre das
nicht denkbar?«
Kjartan schien gar nicht mehr
zuzuhören, aber seine Schultern zuckten. Ingimundur riss das
Medikamentenglas aus der Tasche und knallte es vor ihm auf den
Tisch.
»Also hier, nimm deine Pillen
und sag uns dann endlich die Wahrheit.«
Kjartan blickte Grímur an.
»Könnte ich ein Glas Wasser
bekommen?«
Grímur verschwand, kam aber
bald darauf mit einer Tasse voll Wasser
zurück.
Kjartan nahm zwei Tabletten und einen
Schluck Wasser. Schließlich sagte er: »Es gibt keine
andere Wahrheit, die ich sagen könnte.«
Ingimundur schüttelte den Kopf.
»Wir haben sämtliche Unternehmungen der Inselbewohner am
Sonntagabend und in der Nacht zum Montag überprüft. Alles
verlief in ganz normalen Bahnen. Du und Jóhanna, ihr wart
aber die ganze Nacht auf, und ihr hattet ausreichende Gründe,
dem Reporter etwas anzutun. Wenn du mir weismachen willst, dass es
anders gewesen ist, musst du dir ganz schön was einfallen
lassen.«
»Ich habe nichts mit Bryngeir
zu schaffen gehabt«, wiederholte Kjartan.
»Sag mir, was in der Nacht
vorgefallen ist«, sagte Ingimundur.
»Jóhanna und ich waren
bis in die frühen Morgenstunden in der Bibliothek, dann
begleitete ich sie nach Hause, und wir trennten uns vor ihrem Haus.
Es hatte angefangen zu regnen, und deswegen habe ich mich beeilt,
nach Bakki zu kommen. Dort bin ich die Treppen hinaufgeschlichen.
Ich erfuhr erst von Bryngeir, als Grímur mich am
nächsten Morgen zum Friedhof holen ließ.« Kjartan
wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Ingimundur fragte: »Und was zum
Kuckuck habt ihr die ganze Nacht in der Bibliothek
gemacht?«
»Jóhanna hat mir von
Flateyjarbók erzählt.«
»Kann man sich damit eine ganze
Nacht um die Ohren schlagen?«
»Ja.«
»Wie spät war es, als du
zu Bett gingst?«
»Ich habe nicht auf die Uhr
geschaut, aber es war taghell. Ich schätze so um
sechs.«
Ingimundur überlegte kurz und
sagte dann: »Du kommst mit uns an Bord des
Küstenwachboots. Da ist eine Kabine für dich reserviert.
Jóhanna steht im Arzthaus unter Arrest. Ihr werdet jede
einzelne Minute dieser Nacht zu Papier bringen. Es wird
interessant, wie weit bei euch die Details
übereinstimmen.«
*
»37. Frage: Glück für
die Fahrt. Dritter Buchstabe.
Die Männer von König
Magnús und Jarl Erik legten bei Bröttueyri an und
gingen an Land. Als der Jarl ans Ufer sprang, stolperte er und fiel
auf die Knie, konnte sich aber mit beiden Händen
abstützen. Er sprach: ›Fall bedeutet
Fahrtglück.‹
Die Antwort ist Fall, und der dritte
Buchstabe ist
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