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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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Westfjorden wieder anlegen würde.
    Als die Männer auf dem Schiff
gerade alles klar für die Abfahrt machten, tauchte ein Gesicht
in der Kajütenöffnung auf, und ein großer,
mitgenommen wirkender Mann in einem schmutzigen hellen Mantel und
mit brauner Schirmmütze kletterte steif an Deck. In der einen
Hand trug er eine schwere Reisetasche, und er blickte sich auf dem
Kai um.
    »Junger Mann«, rief er
Benni, der an der Kante stand, mit rauer Stimme zu. »Nimm das
hier entgegen«, sagte er und reichte ihm die Tasche hoch.
»Aber Vorsicht, Vorsicht bitte, denn in dieser Tasche ist
mein Lebenselixier«, fügte er hinzu, als Benni seine
Hände danach ausstreckte. Der Mann kletterte auf den Kai hoch
und griff zur Sicherheit nach Bennis Arm.
    »Mir ist verdammt schwummrig
nach diesem Wellengang«, erklärte er. »Ich glaube,
dass ich auf dem Weg hierher ein bisschen eingeduselt bin. Die
Fahrt hat ja endlos gedauert.« Er schaute sich um, und sein
Blick fiel auf das Gefrierhaus. »Das ist also die historisch
berühmte Insel Flatey im Breiðafjörður. Und ist
das hier vielleicht die ganze Herrlichkeit?«
    Benni sagte entschuldigend:
»Den Ort kann man von hier aus nicht sehen. Der liegt auf der
anderen Seite der Insel. Da sind die ganzen
Häuser.«
    »Aha, mein Freund. Wie
heißt du denn?«
    »Benni ...
Ben.«
    »Benni Ben. Na, da schau her.
Ich heiße Bryngeir und bin Dichter und Schriftsteller. Im
Augenblick allerdings Berichterstatter für ein Schundblatt in
Reykjavík.«
    »Nur Ben ... oder Benni«,
korrigierte Benni rasch. So langsam gab er seine Versuche auf,
diesen neuen Namen zu verwenden, den er sich zulegen wollte,
nachdem er vor zwei Wochen in einer Nacht Ben Hur verschlungen
hatte. Er vergaß ihn sogar meist selber.
    »Stell die Tasche vorsichtig
ab, Genosse Benni Ben«, sagte Bryngeir. »Ich muss mal
das Lebenselixier kontrollieren.«
    Es klapperte in der Tasche, als sie
den zementierten Kai berührte. Bryngeir ging in die Hocke,
öffnete den Reißverschluss und zog eine halb volle
Rumflasche hervor. Er schraubte den Verschluss ab, goss sich aus
der Flasche in den Verschluss und kippte das herunter.
Anschließend führte er sich einen weiteren Schluck
direkt aus der Flasche zu Gemüte und kam dann mit Hilfe des
Laternenpfahls auf dem Kai wieder auf die Beine.
    Benni versuchte, Bryngeirs Alter zu
schätzen. Das Gesicht war grob und verlebt, aber irgendwie
erweckte er den Eindruck, als sei er nicht ganz so alt, wie es auf
den ersten Blick der Fall zu sein schien. Das dunkle Haar wies noch
keine Anzeichen von Grau oder Glatze auf. Doch eine Augenbraue war
schlohweiß, genau wie die Wimpern auf dieser
Seite.
    Bryngeir füllte erneut den
Verschluss.
    »Darf man dir einen Schluck Rum
anbieten, junger Mann?«, fragte er Benni.
    Benni schaute sich auf dem Kai um und
sah, dass die Inselbewohner auf dem Weg zurück zum Ort waren.
Außer Valdi, der gerade die Landfesten löste, war
niemand mehr da. Die Inselbewohner hielten nichts davon, am
helllichten Tage Alkohol zu trinken, aber er hatte nichts dagegen,
sich die Kehle anzufeuchten. Außerdem war
Samstag.
    »Danke«, sagte er, trank
einen Schluck und hustete.
    Bryngeir fischte eine halb gerauchte
Zigarre aus der Manteltasche, und nach einigen Versuchen gelang es
ihm, sie anzuzünden. »Gibt’s was Neues in Bezug
auf den Toten, den man da draußen auf dieser Insel gefunden
hat?«, fragte er.
    »Es war wohl ein Däne. Er
wird heute Abend vom Postschiff mitgenommen, wenn es hier auf dem
Rückweg nochmal anlegt, und dann nach Reykjavík
gebracht«, sagte Benni und zündete sich zur Gesellschaft
eine Zigarette an.
    Bryngeir nahm wieder einen Schluck
aus der Flasche und sagte dann: »Ja, das habe ich
gehört, dass es ein dänischer Professor gewesen sein
soll, kein Geringerer als der berühmte Gaston Lund. Wer hat
ihn denn da bloß auf dieser Schäre
ausgesetzt?«
    »Das weiß keiner. Der
Mann aus Patreksfjörður untersucht
das.«
    »Der Mann aus
Patreksfjörður?«
    »Ja, der Bevollmächtigte
des Bezirksamtmanns. Er heißt
Kjartan.«
    »Ist er
Jurist?«
    »Ja, er hat gerade angefangen,
für den Bezirksamtmann zu arbeiten.«
    Bryngeir paffte an der Zigarre und
überlegte.
    »Hör mal, dieser
Schnüffler, hat der vielleicht eine große Narbe an der
Stirn? So etwa von der linken Augenbraue bis zum Haaransatz?«
Bryngeir fuhr mit dem Finger an die Stirn und zog dort eine
unsichtbare Linie.
    »Ja, er hat so eine
Narbe.«
    »Na, da schau her. Es kommt mir
so vor, als hätte

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