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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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den Kopf.
»Dann kann ich dir den Zauber von Flateyjarbók nicht
erklären, mein lieber Junge. Genauso wenig wie ich einer
blinden Bürstenbinderin ein Gemälde von Rembrandt oder
einem gehörlosen Geldeintreiber eine faszinierende Wagner-Oper
oder einem Eunuchen ein sexy marokkanisches Freudenmädchen
schildern könnte. Aber ich finde es doch außerordentlich
unpassend, dass dieses literarische Juwel nach dieser völlig
unbedeutenden kahlen Schäre benannt wurde, nur weil es ein
paar Jahrzehnte hier unter einem verlausten Dach aufbewahrt wurde.
Es hätte viel eher nach der Gegend benannt werden sollen, wo
es geschrieben wurde, den Männern im Víðidalur zu
Ehren, die es kompiliert und zu Pergament gebracht haben. Das waren
Genies, mein Junge. Absolute Genies. Prost auf sie, Herr Benni
Ben.« Bryngeir nahm einen Schluck aus der
Rumflasche.
    Benni war völlig
desinteressiert. »Mir ist es eigentlich völlig schnuppe,
wie das Buch heißt. Vielleicht lese ich es irgendwann mal
später«, erklärte er und schielte erwartungsvoll
nach der Flasche.
    Sie blieben am Steilufer oberhalb des
Dorfes stehen, und Bryngeir ließ seinen Blick über den
Ort schweifen. Er fragte Benni nach den Häusern und den
Menschen, die darin wohnten. Benni antwortete gelangweilt, denn er
fand das Thema ziemlich unspannend.
    Bryngeir interessierte sich besonders
für den Gemeindevorsteher.
    »Der ist schon ganz in Ordnung,
wenn’s um Seehundjagd und Fischfang geht, aber die Heuernte
ist nicht gerade seine Spezialität«, erklärte
Benni. »Högni mäht meistens für ihn, und
Grímur geht mit der Hungerharke hinterher. Und dann hat er
die Zeitung Tíminn abonniert und macht immer einen
Mordsaufstand wegen der Politik.«
    »Glaubst du vielleicht, dass er
mit dem Dänen auf diese Insel gefahren ist?«, fragte
Bryngeir.
    »Nein, ganz bestimmt nicht,
auch wenn er das beste Boot besitzt. Der Motor ist ganz neu. Er
zieht das Boot auch nicht im Herbst an Land, höchstens wenn
sämtliche Schiffspassagen zugefroren sind. Glaubst du
wirklich, dass jemand diesen Dänen vorsätzlich auf der
Insel ausgesetzt hat?«
    »In meinem Metier sind alle so
lange verdächtig, bis die Schuldfrage geklärt ist, mein
lieber Junge. Irgendwas muss ich hier herausfinden, denn der
Chefredakteur hat diese Reise für mich bezahlt, mit
Busfahrschein und Taschengeld. Er nannte das zwar Tagegeld, aber es
war gleich am ersten Tag der Reise schon
alle.«
    Bryngeir trank wieder aus der
Rumflasche, bot aber jetzt endlich Benni auch einen Schluck
an.    
    »Glaubst du, dass ich bei
diesem prima Gastgeber auch was Anständiges zu essen
bekomme?«, fragte er.
    Benni hielt das nicht für
unwahrscheinlich. Sie gingen weiter die hohle Gasse hinunter und
durchquerten den Ort, um nach Svalbard zu
gelangen.
    Das Wohnhaus bestand aus einem
ansehnlichen zweigeschossigen Holzhaus mit Mansarde und
zementiertem Keller. Ganz in der Nahe befanden sich Schuppen,
Schafstall und eine Scheune. Sigurbjörn saß rittlings
auf einem Schleifapparat draußen auf dem Hofplatz, den er mit
den Füßen bediente, und wetzte ein großes
Messer.
    Bryngeir wandte sich an den Bauern:
»Hier wird eine scharfschneidige Waffe fachmännisch
traktiert.«
    »Das ist zwar bloß das
Küchenmesser von meiner Alten, aber es käme auch ganz gut
zupass, falls man Haus und Grund verteidigen
müsste.«
    Bryngeir grinste und erwiderte:
»Wir kommen in friedlicher Absicht, denn von diesem Haus
heißt es, dass hier kein Reisender von der Türe gewiesen
wird, der eine Bleibe für die Nacht
sucht.«
    Sigurbjörn legte das Messer von
sich und betrachtete den Ankömmling.
    »Hier findet sich
womöglich ein Bettgestell für einen anständigen
Gast«, sagte er.
    Bryngeir zog die Rumflasche aus der
Tasche und reichte sie dem Bauern.
    »Und vielleicht auch etwas
Essbares, falls der Gast sich erkenntlich
zeigt?«
    Sigurbjörn nahm die Flasche
entgegen, roch an dem Inhalt und leerte sie dann in einem
Zug.
    »War das vielleicht die ganze
Erkenntlichkeit?«, fragte er und reichte die leere Flasche
zurück.
    Bryngeir bedeutete Benni, die Tasche
zu bringen. »Hier gibt’s noch ein bisschen mehr.«
Er zog eine volle Flasche aus der Tasche und schraubte sie
auf.
    Sigurbjörn stieg vom
Schleifstein herunter. »Dann nichts wie ins Haus,
Jungs.«
    *
    »9. Frage: Die Soldaten des
englischen Königs John, dritter Buchstabe.
    Der englische König hatte zu
Beginn des Sommers dem König Sverrir, als der sich in Bergen
befand, zweihundert Soldaten

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