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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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sie so zurecht, dass sie sie im
Blickfeld hatte, und gleichzeitig das Blatt, das sie der Mappe
ihres Vaters entnahm. Dann las sie die Fragen eine nach der anderen
vor, schaute auf die Antwort, die ihr Vater vorgeschlagen hatte,
und schlug mit geübten Fingern die entsprechende Passage in
der Munksgaard-Ausgabe auf. Sie kannte all diese Seiten so gut,
dass sie in Sekundenschnelle die richtigen Stellen fand. Sie
ließ ihren Finger über die Zeilen gleiten, las dann ein
paar Sätze laut vor, aber meistens erzählte sie Kjartan
nur in groben Zügen, um was es in dem jeweiligen Abschnitt
ging. Kjartan gab mit einem schweigenden Kopfnicken zu verstehen,
wenn die Antwort bei Gaston Lund mit der von Björn Snorri
übereinstimmte, wenn nicht, dann las er die andere Antwort
vor. Auf diese Weise nahmen sie sich sämtliche vierzig Fragen
vor, eine nach der anderen ...
    *
    »19. Frage: Sodass man das
ganze Land umreiten konnte. Fünfter
Buchstabe.
    Es gab einen so schlimmen
Frostwinter auf Island, dass das Meer rings um die Insel gefror,
und man konnte außen um die schroffsten Berge und steilsten
Hänge und um die ganze Insel herum
reiten.
    Die Antwort ist Frostwinter, und der
fünfte Buchstabe ist T.«

Sechsunddreißig
    Montag, 6. Juni 1960 
    In der Nacht regnete und stürmte
es aus östlichen Richtungen, aber gegen Morgen legte sich der
Wind. Der Regen hielt hingegen an, als die Menschen in Flatey
aufgestanden waren und sich an ihre morgendlichen Verrichtungen
machten. Während der Nacht hatten die Schafe zwischen den
Häusern Schutz gesucht, die Mutterschafe käuten versonnen
wieder, während die Lämmer nach der unruhigen Nacht
schliefen. Die Bauern redeten über die Wetteraussichten und
kamen zu dem Ergebnis, dass sich da wohl so schnell nichts
ändern werde.
    Gemeindevorsteher Grímur hatte
keine Netze ausgelegt und ließ den Tag geruhsam angehen. Die
Seehundnetze waren alle am Tag vor Pfingsten eingeholt worden, und
deswegen hatte es keine Eile, hinauszufahren. An diesem Tag konnten
sich die Seehunde unbehelligt in der Brandung bei den Schären
tummeln.
    Kjartan befand sich noch oben in
seiner Dachkammer und schien zu schlafen. Grímur war
früh zu Bett gegangen und hatte nicht gehört, wie der
Gast hereingekommen war, aber er sah den nassen Mantel an der
Garderobe. Soll er ruhig ausschlafen, dachte der Gemeindevorsteher,
während er frühstückte. Er wusste nicht so recht,
was bei dieser Ermittlung als Nächstes in Angriff genommen
werden sollte. Wahrscheinlich war es am vernünftigsten,
abzuwarten, bis Verstärkung aus Reykjavík
kam.
    Ingibjörg saß im
Wohnzimmer und lauschte der Musik aus dem Radio, während sie
eine Socke aus grober Wolle strickte. Högni schaute herein und
trank eine Tasse Kaffee mit ihnen, ging aber dann wieder nach
Hause, als Grímur Bootsfahrten jeglicher Art verschob. Es
hatte ganz den Anschein, dass heute nicht viel passieren
würde.
    Grímur ging in den Kuhstall,
molk die Kühe und ließ sie auf die Weide hinaus. Es
waren drei an der Zahl, zwei besaß er selber, und
außerdem fütterte er eine für Sigurbjörn in
Svalbard. Im Gegenzug hatte dieser die Schafe von Grímur in
seinem Stall.
    Kormákur Kolk werkelte vor
seiner Scheune an irgendetwas herum. Er war früh aufgestanden
und hatte selbstverständlich seine Kühe schon längst
auf die Weide getrieben. Grímur schlenderte zu ihm
hinüber und wünschte ihm einen guten
Morgen.    
    »Und was zimmerst du da
zusammen, mein lieber Kolk?«, fragte er.
    »Na, siehst du das nicht? Eine
neue Abdeckplatte für den Stallbrunnen. Der Herr
Gemeindevorsteher hat mich doch oft genug gemahnt«,
antwortete Kormákur Kolk und hob den Hammer. Er war
offensichtlich schlecht aufgelegt.
    Grímur betrachte das Objekt.
Er hatte Kormákur Kolk ein paar Mal daran erinnert, den
Deckel des Stallbrunnens zu erneuern. Die Planken waren morsch
geworden, und die Tiere könnten zu Schaden kommen.
Kormákur Kolk hatte sich das Material zu dem neuen Deckel
von einem Bootswrack geholt, das am Strand lag.
    »Das hier wird aber wirklich
ein ordentlicher Deckel, mein lieber Kolk«, konstatierte der
Gemeindevorsteher und verabschiedete sich schließlich, als
ihm klar wurde, dass Kormákur Kolk sich nicht auf ein
Gespräch einlassen wollte.
    Grímur gestattete den
Kühen, auf der Heuwiese zu grasen, solange er den Stall
ausmistete, aber dann trieb er sie auf die Weide am Ende der Insel.
Bei dem Regenwetter waren sie träge und zuckelten nur langsam
voran. Die kleine Rósa

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