Das Raetsel von Flatey
»Aber du kannst mir vielleicht
etwas ohne Gewähr sagen?«
Magnús schaute über seine
Brille auf den Kriminalbeamten und überlegte. Endlich sagte
er: »Ich habe irgendwann einmal in einer Fachzeitschrift von
einem Mann gelesen, der im Abstand von mehreren Jahren drei
Ehefrauen umgebracht hat. Er überraschte sie alle in der
Badewanne, packte sie bei den Unterschenkeln und riss die Beine
hoch. Auf diese Weise gerät der Kopf unter Wasser, und man
ertrinkt, ohne Widerstand leisten zu können. Bei den Frauen
waren keinerlei Körperverletzungen vorzufinden, und deswegen
wurde immer ein Unfall konstatiert. Die Morde geschahen in drei
verschiedenen Städten, und deswegen wusste niemand von den
früheren Opfern, als die nächste Frau starb. Zum Schluss
hat aber doch jemand einen Zusammenhang zwischen den Fällen
gesehen, und man kam dem Mann auf die Spur. Die Polizei
rekonstruierte den Tathergang in einer Badewanne. Die Frau, die das
Opfer spielte, war eine hervorragende Schwimmerin, wäre aber
beinahe ertrunken, als ihr die Beine hochgerissen wurden. Du
erwähnst nicht, dass ich das gesagt habe, aber so hätte
es passieren können, und der Mann kann eine ganze Weile da so
mit den Beinen in der Luft gelegen haben. Die Verletzung im Nacken
würde vom Badewannenrand stammen.«
*
»33. Frage: Das
größte Lästermaul. Erster
Buchstabe.
Als sie nach Rein kamen, sahen sie
drei Langschiffe in den Fjord hineingleiten. Das dritte Schiff war
ein Drachenschiff. Als die Schiffe am Handelsschiff vorbeiruderten,
trat ein stattlicher Mann auf das Deck des Drachenschiffs. Er erhob
seine Stimme: ›Wer steuert dieses Schiff, und woher kommt
ihr, wo seid ihr zuerst an Land gegangen, und wo habt ihr heute
Nacht gelegen?‹ Sneglu-Halli anwortete: ›Wir waren
diesen Winter auf Island, sind von Gásar aus in See
gestochen, Bard heißt der Steuermann, zuerst an Land gegangen
sind wir in Hítrar, aber heute Nacht lagen wir bei
Agdanes.‹ Der Mann, der kein anderer war als König
Harald Sigurdsson, fragte: ›Hat Agdi euch
besprungen?‹ ›Noch nicht‹, antwortet Halli.
Der König schmunzelte und sagte: ›Kann es nicht sein,
dass ihr später in den Genuss solcher Gefälligkeiten
kommen werdet?‹ Sneglu-Halli antwortet: ›Falls es
Euch unbedingt gelüstet, das zu erfahren, dann erwartete Agdi
erlauchtere Gäste als uns, denn er rechnete heute Abend mit
Euch, und dann wird er seinen Verbindlichkeiten gewiss ausgiebig
nachkommen.‹ ›Du hast ein gar loses
Lästermaul‹, erwiderte der
König.
Die Antwort ist Sneglu-Halli, und der
erste Buchstabe ist S.«
Fünfzig
Ingimundur unterbrach die Vernehmung für eine kurze Zeit, als
ein Matrose vom Küstenwachboot ihm einen dicken Umschlag
brachte. Jóhanna stand auf und ging vor die Tür, um
frische Luft zu schnappen. Die Polizisten rauchten beide, und die
Luft im Klassenraum war verqualmt. Grímur stand von seinem
Sitz auf und trat mit ihr vor die Tür. Högni war zu
Guðjón vom Rathof gegangen, um ihm dabei zu helfen, den
Sarg für Björn Snorri zu zimmern.
»Es regnet immer noch«,
sagte sie.
Grímur schaute zum Himmel.
»Jemand hat einmal gesagt, bitte nicht um einen Regenschauer,
wenn du Angst davor hast, dir die Füße nass zu machen.
Die Heuwiesen waren schon reichlich trocken, und in den Brunnen war
wenig Wasser.«
»Ich muss lernen, dass jede Art
von Wetter ihren Zweck hat«, sagte
Jóhanna.
Sie standen schweigend draußen,
bis Ingimundur hinauskam und zu Jóhanna sagte, dass das
Gespräch fortgesetzt werden könnte. Sie holte tief Luft
und ging wieder hinein.
Ingimundur bat Grímur, den
Bevollmächtigten zu holen und ihn zur letzten Vernehmung
vorzuladen. Dann ging er wieder ins Haus und nahm gegenüber
von Jóhanna Platz.
»Ein Telegramm aus
Reykjavík«, sagte er. »Wir haben eine Liste mit
den Namen all derjenigen geschickt, die hier auf der Insel sind,
und diese Liste wurde verglichen mit den Namen, die ans Licht
kamen, als Bryngeirs Lebensumstände in Reykjavík unter
die Lupe genommen wurden. Ich habe den Eindruck, dass du da eine
nicht ganz unwichtige Rolle spielst.«
»Das ist sehr
wahrscheinlich.«
»Wann hast du Bryngeir kennen
gelernt?«
»Im zweiten Jahr auf dem
Gymnasium.«
»Und wie habt ihr euch kennen
gelernt?«
Jóhanna überlegte.
Schließlich sagte sie: »Ich schrieb ein Referat
über die Rolle von Sneglu-Halli in Flateyjarbók. Im
Gymnasium habe ich mich manchmal, wenn ich mir die Sache einfach
machen wollte, an Flateyjarbók gehalten,
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