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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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College wie diesem …«
    »Aber …« Jeffrey entging ein kurzes Zögern in ihrem Tonfall nicht.
    »Ich denke, Sie sollten sich mit dem alten Mr. Maynard unterhalten. Er ist praktisch im Ruhestand, aber er unterrichtet immer noch ein paar Stunden amerikanische Geschichte. Ich meine, mich zu entsinnen, dass er in der Zeit Ihres Vaters Institutsleiter war. Das war er mehr als dreißig Jahre lang. Er könnte etwas über ihn wissen.«
     
    Der Geschichtsprofessor saß an einem Schreibtisch und blickte aus einem Fenster im zweiten Stock, das gegenüber einigen Sportplätzen lag, als Jeffrey an die Tür klopfte und den kleinen Übungsraum betrat. Maynard war ein alter Mann mit kurz geschnittenem grauem Haar, einem melierten Bart und einer mehrfach gebrochenen, verunstalteten Boxernase. Er hatte etwas von einem Gnom und drehte sich wie ein Kindauf dem Stuhl eines Erwachsenen herum, als Jeffrey sich ihm näherte. Als er sah, dass sein Besucher kein Student war, spielte ein zartes, verlegenes Lächeln um seinen Mund, ein schüchterner Ausdruck, der zu seinem Bulldoggengesicht in seltsamem Widerspruch stand.
    »Wissen Sie, manchmal kann ich zu den Sportplätzen da draußen hinüberschauen und mich an bestimmte Spiele erinnern. Ich sehe die Spieler vor mir, als wäre es gestern gewesen. Alt zu werden ist schrecklich. Die Erinnerungen ersetzen die Realität. Sie sind ein bescheidener Ersatz. Und …« Er blickte Jeffrey eindringlich an. »Sie kommen mir bekannt vor, aber nur vage. Gewöhnlich kann ich mich an alle meine ehemaligen Studenten erinnern, aber ich weiß nicht recht, wo ich Sie hinstecken soll.«
    »Ich war kein Student von Ihnen.«
    »Nicht? Und wie kann ich Ihnen dann helfen?«
    »Ich heiße Jeffrey Clayton. Ich benötige einige Informationen …«
    »Ah, sehr gut«, meinte der Lehrer und nickte. »Das ist gut. Es gibt nur noch viel zu wenige …«
    »Ich verstehe nicht ganz?«
    »Leute, die auf der Suche nach Informationen sind. Heutzutage akzeptieren die Menschen einfach, was man ihnen erzählt. Besonders junge Menschen. Als ob Wissen um des Wissens willen ein antiquiertes, nutzloses Unterfangen wäre. Sie wollen nur wissen, was ihnen bei den standardisierten Prüfungen hilft. Ihnen Zugang zu einer der renommierten Unis verschafft. Einen gut bezahlten Job, in dem sie nicht viel arbeiten müssen. Geld, Erfolg, ein großes Haus in einer sicheren Gegend, ein teurer Wagen und anderer Luxus. Niemand will mehr lernen, weil Lernen eine berauschende Angelegenheit ist. Aber Sie sind vielleicht anders, junger Mann.«
    Jeffrey schmunzelte und zuckte die Achseln. »Ich habe Wissen eigentlich noch nie an Erfolg geknüpft.«
    »Trotzdem kommen Sie auf der Suche nach Informationen?«
    »Über einen Mann, den Sie einmal kannten.«
    »Und der wäre?«
    »Jeffrey Mitchell. Ehemaliger Kollege hier an Ihrem Institut.«
    Maynard wippte auf seinem Stuhl und bohrte den Blick in seinen Besucher. »Das ist allerdings höchst seltsam«, stellte er fest. »Aber nicht gänzlich unerwartet. Selbst nach so vielen Jahren.«
    »Erinnern Sie sich an ihn?«
    »Allerdings.« Er starrte Jeffrey weiter an. »Nach einer Weile fragte er: »Sie sind, nehme ich an, mit Mr. Mitchell verwandt?«
    »Ja, er war mein Vater.«
    »Ach so, hätte ich mir eigentlich denken können. Die Ähnlichkeit ist nicht zu übersehen, selbst die Statur. Er war groß und dünn, genau wie Sie. Drahtig und athletisch. Ein Mann mit starker Kondition, geistig wie physisch. Spielen Sie auch Geige? Nicht? Schade. Er war ziemlich begabt. Also, Sohn des Mannes, den ich einmal kannte, wenn auch nicht allzu gut, was möchten Sie von mir wissen?«
    »Er ist gestorben …«
    »Soweit ich weiß. Soweit ich gelesen habe.«
    »In Wahrheit ist er damals nicht gestorben.«
    »Aha, interessant. Und lebt er noch?«
    »Ja.«
    »Und Sie?«
    »Ich habe ihn seit meiner Kindheit nicht gesehen. Ich war neun Jahre alt. Ist jetzt fünfundzwanzig Jahre her.«
    »Und wie ein Waisenkind oder besser gesagt, ein Kind, dasunter Tränen zur Adoption freigegeben wurde, haben Sie sich auf die Suche nach dem Mann begeben, der Sie im Stich gelassen hat?«
    »Im Stich gelassen ist vielleicht nicht das richtige Wort. Aber irgendwie schon.«
    Der Geschichtslehrer verdrehte die Augen, schwang sich auf seinem Stuhl hin und her, warf erneut einen Blick aus dem Fenster über die Sportanlagen und wandte sich wieder Jeffrey zu.
    »Junger Mann, ich kann Ihnen von Ihrem Vorhaben nur abraten.«
    Jeffrey stand vor dem

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