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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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»war weniger,
was
passiert ist, sondern
wie

    Diana nickte, um ihre Tochter zum Reden zu ermuntern, da es ihr selbst genauso ging.
    »Weiter«, forderte die ältere Frau sie auf.
    »Na ja, offenbar hat er keine Sekunde gezögert«, fuhr Susan fort. »Jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Eben noch lungert dieser betrunkene Kotzbrocken da draußen, der Gott weiß was mit mir vorhat, mindestens schon mal, mich zu vergewaltigen, und donnert an die Tür. Im nächsten Moment hör ich, wie die andere Tür aufgeht und der Kerl nur noch gerade eben sagen kann: ›Wer zum Teufel sind Sie denn?‹, und dann – ratsch! Mit einem Messer, einer Rasierklinge oder was auch immer er praktischerweise zur Hand hatte. Der ist da zur Klotür reinmarschiert und wusste schon vorher, was er machen würde, und er brauchte keine Sekunde, um die Situation zu überblicken. Keine Sekunde, um Angst zu bekommen, nachzudenken, es sich noch einmal zu überlegen, in Stellungzu gehen oder auch nur dem Kerl zu drohen. Der muss einfach nur einen Schritt auf ihn zugemacht haben und zack!« Susan trat nach vorn und beschrieb mit dem Arm eine schneidende Bewegung.
    »Das heißt, ›zack‹ trifft die Sache nicht«, schränkte sie ruhig ein. »Es gab kein ›Zack‹! Dafür war es zu schnell.«
    Diana biss sich auf die Lippen, bevor sie sagte: »Überleg mal. Ist dir irgendetwas aufgefallen, was vielleicht darauf hindeuten könnte, dass es bei dem Verbrechen um etwas anderes gegangen ist? Hast du vielleicht …«
    »Nein!«, unterbrach sie Susan. Dann verstummte sie und rief sich im Stillen noch einmal die Szene in der Damentoilette vor Augen. Sie erinnerte sich an die tiefrote Farbe der Blutlache, die sich unter dem Toten bildete, und wie hart sie sich von dem hellen Linoleum abhob.
    »Er wurde beraubt«, fügte sie langsam hinzu. »Zumindest war seine Brieftasche aufgeklappt, und sie lag neben ihm auf dem Boden. Das ist immerhin etwas. Und sein Hosenlatz stand offen.«
    »Noch irgendwas?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Ich bin nichts wie raus.«
    Diana dachte angestrengt über die Brieftasche nach. »Ich denke, wir sollten Jeffrey anrufen«, erklärte sie. »Er könnte uns mit Sicherheit sagen, was davon zu halten ist.«
    »Wieso? Das ist mein Problem. Wir machen ihm nur unnötig Angst.«
    Diana wollte etwas erwidern. Dann überlegte sie es sich anders. Sie sah ihre Tochter an und versuchte, hinter die Fassade des starren Blicks und der verspannten Schultern zu schauen, und sie merkte, wie sie eine gewaltige Mutlosigkeit überfiel, denn sie verstand, dass sie vor langer, langer Zeit so von dem Gedanken besessen gewesen war, ihre Kinder physisch zuretten, dass ihr darüber entgangen war, was sonst noch gerettet werden musste. Kollateralschäden, sagte sie sich. Das Unwetter knickt einen Baum um, der gegen ein Stromkabel kracht, das in eine Pfütze fällt und das Wasser mit der tödlichen Voltzahl lädt, die den ahnungslosen Mann umbringt, der den Hund ausführt, nachdem sich die Wolken verzogen haben und die Sterne am Himmel stehen. Das ist mit meinen Kindern passiert, dachte sie voller Bitterkeit. Ich hab sie vor dem Gewitter gerettet und nicht mehr.
    Die Zweifel verliehen ihrer Stimme einen harten Klang. »Jeffrey ist Experte für Tötungsdelikte. Alle möglichen Tötungsdelikte. Und falls wir wirklich in Gefahr sind – was wir nicht mit Sicherheit sagen können, was aber durchaus möglich ist –, dann hat er ein Recht darauf, es zu erfahren, und er verfügt vielleicht über ein Wissen, das uns in dieser Situation weiterhelfen kann.«
    Susan schnaubte. »Er hat sein eigenes Leben und seine eigenen Probleme. Bevor wir ihn um Hilfe bitten, sollten wir uns sicher sein, dass wir sie brauchen.«
    Es klang, als hätte sie ein entscheidendes Argument gebracht, das ihren Standpunkt stichhaltig untermauerte. Doch ihrer Mutter entging die Logik.
    Diana wollte etwas erwidern, aber in diesem Moment durchzuckte sie ein spitzer Schmerz, der in alle Richtungen ausstrahlte, und sie schnappte nach Luft, um ihn zu unterdrücken. Der Schmerz war wie ein Schock für ihren Körper und durchfuhr sie wie ein Stromschlag, so dass ihre sämtlichen Nervenenden unter Hochspannung standen. Sie wartete, bis die Woge sich legte und schließlich verebbte. Sie rief sich ins Gedächtnis, dass der Krebs, der in ihr wütete, sich wenig um ihre Gefühle scherte und schon gar nicht um andere Probleme, die sie vielleicht hatte. Er war das genaue Gegenteil desMordes, dessen Zeuge ihre

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