Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
verheilten Flügel entfaltete.
„Kann mir bitte jemand sagen, was hier vorgeht?“, verlangte das Einhorn.
„Ich habe einen Regenbogen herabgerufen und dir das Leben gerettet“, sagte Rupert und grinste von einem Ohr zum anderen.
„Ah“, sagte das Einhorn, „ich wusste doch, dass du zu irgendetwas nütze bist.“
Rupert lachte und schob das Regenbogenschwert vorsichtig in die Scheide. Freude sprudelte in ihm wie Wasser in einer seit langem verschütteten Quelle. Doch dann verstummte sein Lachen, als er das Einhorn genauer anschaute.
„Was ist?“, fragte das Einhorn und runzelte die Stirn.
„Irgendwie kommst du mir verändert vor“, meinte Rupert nachdenklich.
„Ich fühle mich blendend.“ Das Einhorn drehte Kopf, um sich von allen Seiten zu betrachten.
„Ach, du liebe Güte!“, brummte Rupert, als ihm die Wahrheit dämmerte.
„Was ist?“
„Äh“, sagte Rupert und überlegte verzweifelt, wie er den Sachverhalt möglichst taktvoll zur Sprache bringen könnte.
„He“, sagte Julia, als sie und der Drache sich zu ihnen gesellten. „Was ist denn mit dem Horn des Einhorns passiert?“
„Meinem was?“ Das Einhorn schielte, um sein Horn zu sehen, aber außer einem kleinen Knochenwulst mitten auf der Stirn war nichts zu sehen.
„Die Dämonen brachen es ab, als sie über dich herfielen“, erläuterte Rupert. „Augenscheinlich kann der Regenbogen zwar Wunden heilen, aber verlorene Körperteile wachsen nicht mehr nach.“
„Mein Horn!“, schrie das Einhorn. „Jetzt wird mich jeder für ein Pferd halten.“
„In hundert kalten Wintern nicht“, versicherte ihm Rupert.
„Ich schlage vor“, warf der Drache ein, „dass wir erst mal so schnell wie möglich von hier verschwinden. Wir sind noch ein ganzes Stück von der Grenze entfernt, und ich bin sicher, im Düsterwald treiben noch weitere Dämonen ihr Unwesen.“
„Stimmt“, sagte Julia. „Der Albtraum ist vorbei, aber die Nacht ist ewig.“
„Nicht ewig“, widersprach Rupert leise und legte die Hand auf den Griff des Regenbogenschwerts. „Jede Nacht endet irgendwann.“
2
Heimkehr
E twa zwei Monate später schleppten sich Rupert, Julia, der Drache und das Einhorn müde die lange, gewundene Straße zu Ruperts Burg hinauf. Rupert ritt sein Einhorn, während es sich Julia auf den Schultern des Drachen bequem gemacht hatte. Beide trugen ein Lederwams, eine lange Hose und darüber einen dicken Pelzumhang. Die Temperatur war in den zurückliegenden Wochen stetig gesunken. Dazu kam ein eisiger Wind, der ständig durch den Wald wehte.
„Heimgekehrt ist der Held“, sagte Julia. „Eigentlich müssten sie dich mit Fanfaren oder so begrüßen.“
„Der erste Minnesänger, der mir über den Weg läuft, kann sich auf einiges gefasst machen“, sagte Rupert. „Von Minnesängern habe ich die Schnauze voll.“
Der Drache hustete taktvoll. „Ich komme nicht gern auf dieses Thema zu sprechen, aber deine Leute haben dich vermutlich auf eine Queste geschickt, damit du einen Drachenhort heimbringst, Gold und Geschmeide. Oder zumindest die wertvolleren Körperteile eines toten Drachen. Stattdessen hast du einen lebenden Drachen und eine Prinzessin ohne Mitgift mitgebracht. Eine erbärmliche Ausbeute, wenn du mich fragst. Du kannst trotz deiner zugegeben großen Taten keine einzige Goldmünze vorweisen.“
Rupert lächelte. „Da ist noch das Regenbogenschwert.“
Julia sah ihn entsetzt an. „Du hast doch gewiss nicht vor, es zu verkaufen?“
Der Prinz zuckte die Achseln. „Das Waldland braucht das Geld dringender als ich ein Zauberschwert. Adel verpflichtet, erinnerst du dich?“
„Ich erinnere mich“, erwiderte Julia trocken. „Es wird mir schwerfallen, mich wieder an all diesen Unsinn zu gewöhnen. An die unbequemen Gewänder, die steife Etikette und die Hofdamen, die mich daran hindern, all das zu tun, was Spaß macht.“
„Ich werde auch noch da sein“, versprach Rupert.
Julia lächelte. „Das wird mir helfen“, sagte sie und drückte kurz seine Hand.
Hohe, majestätische Eichen säumten die Straße, auf der sie unterwegs waren; die schweren Äste waren bis auf vereinzelte, herbstlich verfärbte Blätter kahl. Es war erst Spätnachmittag, aber die Sonne sank schon hinter den Horizont. Rupert zog die Stirn kraus, als die kalte Brise durch die Bäume raschelte; der Winter schien in diesem Jahr früher als sonst zu kommen. Als hätte der Wald nicht genug andere Probleme … er schüttelte langsam den Kopf und atmete
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