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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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zu kleckern, und wischte sich endlich mit der Serviette über den Mund.
    Als das Handy zum zweiten Mal klingelte, hörte sie es. Sie
schluckte rasch, tupfte sich noch einmal über den Mund und nahm schließlich ab.
Sie lauschte eine Weile, schüttelte langsam den Kopf Ein ungeduldiger Ausdruck
legte sich auf ihr Gesicht. »Nein!«, sagte sie. »Ich glaube nicht, dass das
eine gute Idee ist.«
    Sie legte auf, packte die Reste des Döners ins Papier,
warf alles in den Mülleimer und schlenderte weiter durch die Sonne.
    Das Handy klingelte zum dritten Mal. Sie blieb stehen,
schaute auf das Display, seufzte, drückte den Anrufer weg. Kurze Zeit später
klingelte es wieder. »Scheiße!«, murmelte sie. »Warum kapiert er 's denn nicht?
Kann doch nicht so schwer sein!«
    Sie ließ es klingeln, lange, schließlich nahm sie doch ab.
»Ich will nichts mehr von dir!«, sagte sie ungehalten. »Ist das so schwer zu
verstehen?« Aber der Anrufer ließ nicht locker, Marie gab auf.
    »Also gut!«, sagte sie. »Aber nur, weil heute so ein
schöner Tag ist. Und weil die Sonne scheint. Du weißt doch, ich geh weg. In
zwei Tagen. Zur Aufnahmeprüfung.« Der Anrufer schien Einwände zu haben. Marie
lachte. »Ich schaff es aber. Wie kannst du zweifeln?!«
    Sie legte auf. Der Himmel hatte sich verdunkelt. Es begann
zu regnen. Leicht. Zart.
    Mit ausgebreiteten Armen lief sie durch die Regenschnüre
und dachte an ihr Perlenkleid, an die Schnüre auf silbrigem Grund. Sie hüpfte
hierhin und dahin, der nieselige Regen hinterließ dunkle Flecke auf ihren
Jeans, auf ihrem T-Shirt.
    Silbrige Perlen, dachte sie, Regenschnurperlen auf
silbrigem Grund. Stärker wurde der Regen, so stark, dass die Tropfen auf den
Asphalt prallten und wieder hochhüpften. Frösche, dachte sie, kleine,
durchsichtige Frösche, quak, werden wachsen im Juniregen.
    Der Bahnhof kam in Sicht. Sie stürmte hinein, stieß einen
alten Mann an, seine Tasche flog zu Boden, allerlei Krempel rollte heraus,
Marie blieb stehen. »Entschuldigung!«, rief sie und hob beschwichtigend ihre
Arme. »Ich habe Sie nicht gesehen.«
    »Na, dann laufen Sie halt nicht wie blind durch die
Gegend«, murrte der Angerempelte.
    »Ja«, versicherte sie, während sie half, alles wieder
zusammenzusuchen. »Das mache ich in Zukunft. Wenn ich es nicht so eilig habe.«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Sie sehen mir aus, als ob
Sie's immer eilig hätten, junge Frau. Lassen Sie sich doch ein wenig Zeit.«
    Er lächelte sie wohlwollend an, während sie seine Sachen
zurück in die Tasche packte. »Ja«, sagte sie und grinste. »Mache ich. Mir Zeit
lassen. Ja. Wenn ich Zeit dazu habe. Vielleicht. Im nächsten Leben.«
    Er schüttelte missbilligend den Kopf. Sie ging die
Abfahrtszeiten der Züge nachsehen.
    Später im Einkaufszentrum legte sie ihren Kopf auf einen
Kopierer und kopierte sich. Von der Seite. Im Profil. Mehrere Male.
    Als wollte sie sich nicht vergessen. Als wollte sie sein
auf ewig. Ein Immerding. Ein Immerwährend.
    Draußen regnete es noch, durchsichtig, schimmernd. Sie
sprang mit den Regentropfen um die Wette.
     
    Komischer Kauz, dachte Arthur, dieser Borger. Wenn ich
auch mal so werde, kann ich mir die Kugel geben! Na, danke schön! Er war froh,
an die frische Luft gegangen zu sein, überquerte die Straße, lehnte sich ans
Auto und hielt sein Gesicht in die Sonne. Offenbar ließ es sich nicht
vermeiden, dass der Beruf irgendwann mal abfärbte. Obwohl er über Herz und
Oberwieser, die seine unmittelbaren Vorgesetzten waren, eigentlich nichts
Negatives sagen konnte. Soweit er das beurteilen konnte, schienen sie normal
geblieben zu sein, also war es vielleicht doch nicht so schlimm. Sogar ein
Privatleben hatten sie. Im Falle von Herz ein ziemlich potentes sogar, drei
Kinder, und was man so läuten hörte, war schon wieder was in der Röhre. Über
sie hörte man auch so einiges, na ja, Polizeigeschwätz halt.
    Er seufzte, spürte, dass er an Karolina zu denken begann,
wusste, dass ihm das nicht guttun würde, aber wie immer ließ es sich nicht
vermeiden. Er schluckte, seufzte. Karolina, ach, Wahnsinnskörper, Beine bis
sonst wohin, andalusische Glutaugen. Obwohl sie eine waschechte Straubingerin
war. Jobbte für ihr Studium ausgerechnet in der Videothek, in der er sich einen
kleinen unschuldigen Porno für einen kleinen unschuldigen Herrenabend hatte
ausborgen wollen. Das war in die Hose gegangen, im wahrsten Sinne des Wortes.
Er hatte sie angemacht. Sofort. So eine Frau konnte man nicht so

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