Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
Vom Netzwerk:
rechte Augenbraue hoch.
Mein ist die Rache, dachte er. Dann setzte er an zum finalen Schlag. »Immerhin
noch nicht so alt«, sagte er, »als dass du's nicht geschafft hättest, dir die
Aufmerksamkeit eines unserer Theaterkünstler zuzuziehen, wie man hört.«
    Sie wurde schlagartig rot und starrte nun ihn an,
sprachlos. Er genoss ihre Verblüffung.
    »Das hört man?«, fragte sie.
    Er hob beruhigend seine Hände. »Keine Bange, man hört es
nicht besonders laut. Genauer gesagt, hört man es gar nicht. Nur ... ich habe
besonders gute Ohren. Oder besser gesagt Augen.«
    Er liebte ausschweifende Erklärungen, die im Grunde nichts
erklärten, sondern alles in ein noch diffuseres Licht tauchten. Sie wurde
ungeduldig. »Und das heißt?«
    »Dass ich euch gesehen habe. Nichts weiter. Im Marinello. In der Gutenbergstraße. Vor etwa zwei Wochen.« Schon bereute er es,
damit angefangen zu haben. »Sein Interesse an dir war augenscheinlich. Und dein
Interesse an ihm ...«
    Er brach ab, war plötzlich ein bisschen verlegen. Sie
nickte und merkte, dass sie sich erschrocken hatte und dass ihr Erschrecken
immer noch wuchs. War es das, was sie gewollt hatte? Das Risiko eingehen,
gesehen zu werden? Von Bekannten, wie Borger einer war? Oder gar irgendwann von
Max? Wollte sie ihn, Max, kränken? Ihn bloßstellen? Indem sie sich in der
Öffentlichkeit mit ihrem Liebhaber herumtrieb?
    War sie Max immer noch so verbunden, dass sie solch eine
Rache brauchte? Sollte sie sie beenden? Die Sache mit Port? Oder etwa die Ehe
mit Max? Schluss, dachte sie. Aus!
    Und rettete sich vor ihren Gedanken. Kam zurück zu Borger,
der sie erneut unverhohlen musterte. »He!«, sagte sie. »Du machst es schon
wieder.« Sie wusste schon lange, dass er verlernt hatte, sein Interesse an
lebendigen Gesichtern und Körpern zu kaschieren. Über dem Umgang mit den
Leichen, die sich dagegen nicht mehr wehren konnten, hatte er es verlernt. Aber
es gehörte sich nun einmal nicht in der zivilisierten Gesellschaft, in der sie
lebten. Sie zupfte ihn am Ärmel. »Man starrt die Menschen nicht so an!«, sagte
sie. »Wann lernst du das endlich wieder?«
    Nun war er es, der rot wurde. »Tut mir leid«, sagte er.
    Es war sein Beruf, er musste die Menschen anschauen. Aber
die, die noch lebten, hatten das Gefühl, er suche nach Fehlern. Obwohl er das
wirklich nicht tat. Zumindest nicht immer.
    »Hör zu«, sagte er, »ich habe niemandem von dir und diesem
Schauspieler erzählt. Du kannst dich auf meine Verschwiegenheit verlassen.« Sie
nickte und wandte sich zum Gehen. Es war kühl in diesem grünlichmetallenen
Raum, sie fröstelte, genoss es aber nicht. »Woher weißt du eigentlich, wer er
ist?«, fragte sie.
    Borger lachte. »Also, meine Liebe, kannst du dir das nicht
denken? Ich bin ein kulturell interessierter Mensch, ganz offenbar im Gegensatz
zu dir. Sehr viele Leute hier wissen, wer er ist.« Sie schaute ihn nachdenklich
an.
    »Hast du ihn überhaupt schon einmal auf der Bühne
gesehen?«, fragte er missbilligend.
    »Nein«, sagte sie schnippisch. »Hab ich nicht. Ich muss
jetzt gehen. Arthur wartet.«
    Erst als sie schon an der Tür war, hörte er auf zu lachen
und rief sie zurück.
    »Warte!«, sagte er. »Noch etwas. Nichts Wichtiges. Aber
trotzdem.«
    Er nahm eine lange Pinzette, beugte sich über eine Schale
und holte etwas heraus.
    »Wir haben es in ihrer Mundhöhle gefunden. Es hat sich
wohl durch die Erschütterungen des Sturzes vom Zahn gelöst.«
    Silbrig blinkte im Neonlicht ein winziges Schmuckstück.
    »Zahnschmuck«, sagte er. Sie nickte. »Ich weiß«, sagte
sie. »Junge Mädchen tragen so was. Max bietet das auch in seiner Praxis an. Ist
das ein Mond?«
    »Ja«, sagte er, »ein Mond. Immer wenn sie gelacht hat,
muss er geblinkt haben.«
     
    Marie trug den Mond auf den Zähnen und hatte Augen, die
glänzten wie Äpfel im Takt des Songs, der sich durch die Stöpsel in ihre Ohren
schlängelte, tanzte sie durch die Arkaden der Altstadt. Als das Handy zum
ersten Mal klingelte, hörte sie es nicht.
    Nachdem sie sich einen Döner gekauft hatte, setzte sie
sich auf eine Bank und wandte ihr Gesicht der Sonne zu. In der Nacht würde es
zu regnen beginnen, sie hatte die Wettervorhersage gesehen, aber noch war es
heiß, lichtdurchflutet, Sommermitte.
    Der Döner war ein bisschen scharf, aber er schmeckte, und
sie spürte, wie die Joghurtsoße über ihren Mundwinkel lief und zu tropfen
begann. Unwillkürlich musste sie lachen, beugte sich vor, um nicht auf ihre
Jeans

Weitere Kostenlose Bücher