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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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stehen lassen!
Nein. Stopp. Vielleicht sollte er bei der Wahrheit bleiben. Wenn er schon so
jung begann, sich selbst zu belügen, würde es wohl rasch bergab mit ihm gehen.
Also von vorne: Sie hatte ihn angemacht.
Nicht umgekehrt. Wenn er ehrlich war, und er hatte ja gerade beschlossen, es zu
sein, musste er das zugeben. Dass sie es gewesen war, die ihn abgeschleppt
hatte, nicht umgekehrt. Und wenn er noch ehrlicher war, musste er auch zugeben,
dass er sich nie getraut hätte, sie anzumachen. Nicht sie. Nicht diese
andalusische Wahnsinnsfrau aus Straubing.
    Aber na ja. Man sah ja nun, wohin es geführt hatte. Ein
gesprengtes Herz trug er mit sich herum. Und eine gespaltene Polizistenseele.
    Zuerst fünf Wochen Höhenflug, fünf Wochen nicht essen,
nicht trinken, nicht schlafen. Er hatte nicht gewusst, dass das möglich war,
dass man trotzdem leben konnte. Oder erst recht. Im Job hatte er seiner Meinung
nach die volle Leistung erbracht. Doch nach vier Wochen erklärten sie ihn für
unzurechnungsfähig, weil er immer öfter Löcher in die Luft starrte und die Ringe
um seine Augen herum unübersehbar wurden.
    Herz hatte ihn zur Seite genommen. »Was ist los, Junge?
Kommst du nicht mehr zum Schlafen?«
    »Nein«, wollte er sagen. »Nein!«, wollte er Herz ins
besorgte Gesicht schreien. »Ich habe keine Zeit zum Schlafen! Ich vögle! Ich
vögle mich um meinen sechsundzwanzigjährigen Verstand! Ich vögle mit der
wahnsinnigsten Frau, die es gibt auf der Welt! Ich kann derzeit nichts anderes
tun als vögeln! Und ich weiß, das kann nicht gutgehen!«
    Natürlich sagte er nichts. Franza schaute ihn an. In ihren
Augen las er so etwas wie eine Ahnung. Als wüsste sie, was ihm widerfuhr. Als
verstünde sie ihn. Seither hielt er große Stücke auf sie. »Es wird sich alles
finden«, hatte sie gesagt. »Du wirst sehen.«
    Er hatte gelächelt, genickt. Sie war eine Frau, sie
wusste, wovon sie sprach. Aber dass es so enden würde? Ratsch! Zack! Und aus?
Drei Wochen war es her. Drei verfluchte Wochen.
    Er sah sie vor sich, als ob es gestern gewesen wäre.
Karolina. Wie sie sich vor ihm gerekelt hatte. Zu dieser Konstantin-Wecker-Frauenmusik.
Wie sie sich ausgezogen hatte, Stück um Stück ihrer Kleidung durch das Zimmer
gesegelt war. Wie sie ihn ausgezogen
hatte, Stück um Stück seiner Kleidung
durch das Zimmer gesegelt war. Wie sie ihm warmen Honig auf Brust und Bauch
geträufelt hatte, wie sie begonnen hatte, langsam, ganz langsam den Honig von
seiner Haut zu lecken, wie sie mit ihrer Zunge Bahnen gezogen hatte auf seiner
Haut, dass er zu vibrieren begonnen hatte, außen wie innen, wie die Saiten
eines Cembalos oder eines Klaviers, und wie alle Körperhärchen sich aufgestellt
hatten und nicht nur die ... Aber dann ...
    ... hatte sein Diensthandy geläutet.
    Und er war drangegangen. Ohnehin erst nach dem vierten
Läuten. Hatte er doch gemusst. Herz hätte ihn gekillt, wenn er nicht...
    Aber Karolina war herunter von ihm, wie von der Tarantel
gestochen, und während er noch telefonierte, hatte sie seine Schuhe geschnappt
und seine Kleidung und einfach alles und hatte es draußen vor ihre Wohnungstür
geworfen und ihm auf ihre unvergleichlich resolute Art mitgeteilt, dass sie
nicht im Traum daran denke, so ein Scheißpolizistenfrau-Leben zu führen,
ständig auf Abruf und ohne Regeln. Dann bugsierte sie ihn sanft, aber
unwiderruflich aus ihrer Wohnung. Immerhin reichte sie ihm durch den Türspalt
einen nassen Lappen, nachdem er protestiert hatte, weil er über und über
klebrig war und sich fühlte wie eine abgeschleckte Briefmarke.
    Dann fand er zu allem Überfluss seine Boxer-Shorts nicht,
aber trotz mehrmaligem Klingeln öffnete Karolina die Tür nicht noch einmal. Und
während er hastig in Jeans und T-Shirt fuhr, wandte er sich erneut an die
verschlossene Tür, halblaut zwar nur eingedenk des halböffentlichen Ortes, an
dem er sich befand, aber nichtsdestotrotz mit Nachdruck, und fragte, was sie,
Karolina, sich einbilde, ob sie möglicherweise spinne, ob sie noch ganz dicht
sei, er sei halbnackt und er stünde halbnackt mitten in einem Treppenhaus
mitten in der Innenstadt mitten in der Nacht. Aber es ließ sie völlig
ungerührt. Schließlich fuhr er fluchend ins Kommissariat, wo die Kollegen
bereits ungeduldig auf ihn warteten, eine nächtliche Observierung stand an. Als
Herz dann an ihm zu schnuppern begann, ob er vielleicht gerade ein neues
Duftwässerchen ausprobiere, eines, das ein wenig nach Honig rieche, und als

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