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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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dein
Ernst!«, sagte sie.
    Er zuckte die Schultern. »Doch. Tut mir leid. Aber ich
dachte, es wäre trotzdem wichtig.«
    Sie saßen auf seiner Dachterrasse und tranken Tee. Sie
hatte ihn beim Frühstück angetroffen, in einer Stunde würde er zur Probe gehen
und dann unerreichbar sein bis in die späte Nacht.
    Immer noch besaß er keine Kaffeemaschine, und Franza,
während sie lustlos den Tee schlürfte, nahm sich zum wiederholten Male vor,
endlich eine zu besorgen und in seiner Küche zu deponieren. Einer wie er,
dachte sie verächtlich und hatte es schon tausend Mal gedacht, einer wie er und
trinkt Tee! Sie seufzte. »Ja«, sagte sie. »Klar. Erzähle.«
    Er kannte das Mädchen vom Theater, genauer gesagt aus dem Pechmann, einem
Lokal gleich in der Nähe des Theaters, in dem sehr viele Schauspieler, Sänger
und Tänzer verkehrten und außerdem Leute, die um jeden Preis mit den Künstlern
in Kontakt treten wollten. War sie so eine gewesen? Eine, die sich im
Dunstkreis der Künstler bewegte, um an deren Leben teilzuhaben? Um die
Langeweile ihres eigenen Lebens besser zu ertragen?
    »Nein«, sagte Port nachdenklich. »Nein, so eine war sie
nicht. Im Gegenteil. Sie war jemand, der selbst Aufmerksamkeit erregte.«
    »Wie?«
    »Schwer zu sagen. Sie hatte etwas ... Zwiespältiges. Und
sah ziemlich gut aus. Irgendwie ... unabhängig. Ein bisschen umglort von
Freiheit, auch wenn das kitschig klingt. Aber einsam. Immer ein bisschen
traurig. Und das ist eine ziemlich unwiderstehliche Mischung.«
    Er lachte und biss in eines der Croissants, die Franza
noch rasch beim Bäcker besorgt hatte.
    Ja, dachte sie, das kann ich mir vorstellen.
Unwiderstehliche Mischung. Auch für dich?
    Sie zog die Augenbrauen zusammen und ertappte sich, wie
ihre Gedanken fortglitten, wie sie sich das Mädchen vorstellte und Port. An
beunruhigenden Orten, in beunruhigenden Gemeinsamkeiten. Tee trinkend. Unter
anderem. »Was hast du gesagt?«
    Er lachte und tippte das Croissant in die Marmelade. »Also
sag mal, woran denkst du denn!« Er kam ihr nahe, sie roch Duschgel, Frische,
ihn. »Hier«, sagte er, »schmeckt gut«, und steckte ihr das Gebäck zwischen die
Zähne. Die Marmelade schmierte sich um ihren Mund, tropfte, sie schmeckte Marille
auf Croissant und dann Ports Zunge. Sie schluckte und verschluckte sich und musste
husten. Er lachte leise, sagte: »Du hast gekleckert, Frau Kommissarin!«, ließ
sie nicht los. Scheiße, dachte sie. Was geschieht hier? Wo gerate ich hin?
    »Also«, sagte Port schließlich und lehnte sich zurück.
»Das Mädchen. Ich bin einmal mit ihr ins Gespräch gekommen. Sie hatte mich auf
der Bühne gesehen. Die Inszenierung fand sie scheiße, mich nicht.« Er grinste
verschmitzt. Franza nickte. Ja, dachte sie, kann ich mir vorstellen. Sie
stellte die Teetasse zurück auf den Tisch und konzentrierte sich. Wenn ich hier
rausgehe, dachte sie, kaufe ich eine Kaffeemaschine.
    Immer noch grinste Port in der Erinnerung an seine umhegte
Eitelkeit und schwieg ein bisschen. Franza ließ ihn, sie wusste aus Erfahrung,
dass es besser war, nicht mit Fragen zu stören, wenn jemand den Fluss des
Erzählens stoppte, um ein wenig in Erinnerungen abzuschweifen. Sie wusste, er
würde bald weiterreden. Und so war es, ein kleines Räuspern, dann fuhr er fort.
»Im Laufe unseres Gespräches«, sagte er, »hat sich herausgestellt, dass sie alles,
was wir hier im letzten Jahr gespielt haben, gesehen hat. Sie kannte sich aus
mit den Rollen, mit den Stücken. Sie wusste über uns Schauspieler Bescheid,
über die Regisseure, die Dramaturgen und - und das ist das Erstaunliche - sie
wusste uns alle richtig einzuschätzen. Sie hatte einen Blick für Menschen und
Dinge.« Davon bin ich überzeugt, dachte Franza und spürte den Stachel und kam
sich schlecht vor, sehr schlecht. Sie ist tot, dachte sie, kannst du die Dinge,
verdammt noch mal, wieder in die richtige Lage bringen, doofe Pute! »Hatte sie
Geld?«, fragte sie. »Ich meine, so viele Theaterabende. Das ist doch nicht
billig.«
    »Stehplatz. Kostet so gut wie nichts. Aber das kannst du ja nicht wissen.«

Er grinste und streckte die Hand nach ihr aus. Sie nickte.
»Ja«, sagte sie spitz.
    »Ich weiß. Du möchtest bewundert werden.« Er grinste.
    »Was weißt du noch von ihr?«, fragte sie und rettete sich
in ihre Berufsschablone.
    Er überlegte, schüttelte nachdenklich den Kopf. »Nichts,
glaube ich.«
    »Was war sie von Beruf? Eine Kollegin vielleicht? Wenn sie
doch so viel über das Theater

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