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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ich könnte sonst die Nerven verlieren.
    Wieder blickte der Coronel auf seine Uhr. »In zehn Minuten ist Abmarsch. Es wird vielleicht auch bei uns Verwundete geben. Dr. Binder, kommen Sie als Truppenarzt mit?«
    »Nein.«
    »Und wenn ich es Ihnen befehle?!«
    »Ich nehme von Ihnen keine Befehle an.«
    Einen Moment standen sie sich gegenüber, Auge in Auge, mit zusammengekniffenem Mund.
    »Ich bin hier der Polizeichef«, sagte Bilac gefährlich leise.
    »Und ich bin ein freier Arzt.«
    »Freiheit ist relativ. Das sollten Sie wissen.«
    »Ist das eine Warnung?«
    »Aber nein.« Bilac grinste böse. »Nur eine Realität. Und Realitäten kann man nicht ausweichen. Sie kommen mit?«
    »Nein!«
    »Sie verweigern als Arzt ärztliche Hilfe? Das wird unangenehm für Sie werden, Dr. Binder.« Bilac drehte sich zu seinen Offizieren um. »Fangen wir an! Wir haben einen Sanitäter mit. Das wird genügen.«
    Ohne ein weiteres Wort verließ der Coronel den Raum. Die Offiziere folgten ihm. Pater Ernesto schüttelte den Kopf und ging zu Thomas.
    »Das kann deine Ausweisung bedeuten. Bilac wird es so darstellen, daß man dich rausschmeißen muß! Das war unvorsichtig von dir.« Ernesto nahm Thomas am Arm. Leise fuhr er fort: »Außerdem, weißt du, was in den nächsten Stunden geschehen wird? Du bist zu impulsiv, Tom. Hier erreichst du mehr aus dem Hintergrund heraus. Wie alle. Man redet wenig, aber man tut vieles im verborgenen!«
    Die Polizeitruppe rückte in drei Gruppen vor, so wie es Coronel Bilac strategisch befohlen hatte. Die Gruppen B und C schwärmten beim Anblick des Shabono rechts und links aus, Gruppe A als Stoßtrupp war die geballte Faust, die die Indianer voll treffen sollte.
    Schon beim Vorrücken stellte Bilac erstaunt fest, daß die Felder der Yanomami verlassen dalagen. Wo sonst die Frauen und größeren Kinder die Beete bearbeiteten, die Erde aufhackten, Unkraut jäteten und täglich den frischen Maniok oder die Yamwurzeln ernteten, war kein Mensch zu sehen. Es war, als sei die sonntägliche Ruhe zu einem Stilleben geworden.
    Die gleiche Ruhe empfing den Stoßtrupp, als er den Dorfrand erreichte. Kein Hundegebell, keine schreienden Kinder, keine herumrennenden schwarzen Schweine, kein Hühnergegacker, nicht das rhythmische Zerstampfen von Maniokwurzeln – leer war das Shabono. Kein Leben erfüllte mehr das Dorf – ein Kranz von Hütten, eine gespenstische Stille. Von den Gruppen B und C kamen über Sprechfunk immer die gleichen Meldungen: Alles verlassen, keinerlei Kontakt mit den Yanomami. Das einzige, was man gefunden hatte, waren sechs Schildkröten in einem Tümpel.
    Der Coronel knirschte mit den Zähnen, rief B und C ins Dorf zurück und setzte sich auf einen großen, noch nicht ausgehöhlten Kürbis. Sein Gesicht glich einer leicht verzerrten Maske. Seine Truppe stand wortlos vor ihm und wartete auf neue Befehle.
    »Sie sind in den Wald geflüchtet«, sagte er mit rauher Stimme. »Irgend jemand hat sie gewarnt. Und nicht erst vor kurzem, so schnell kann man ein Dorf nicht so gründlich räumen. Nur eine Handvoll konnte wissen, was nach dem Mord an den zwei Garimpeiros folgen würde. Von dem Anruf Senhor Bejas wußten überhaupt nur die Patres und Dr. Binder. Das könnte also heißen: Die Indios sind von dieser Seite schon gestern gewarnt worden! In der Nacht noch wurde das Dorf geräumt. Aber –« Bilac hob die Stimme und stemmte seine Arme auf seine Oberschenkel – »noch einer konnte wissen, was geschehen wird: Der ›Rote Pfeil‹ selbst! Ich nehme an, daß es so gewesen ist!« Er warf einen Blick auf die Offiziere, in erster Linie auf Geraldo Ribateio. »Sie sind meine Zeugen, Senhores, daß die Strafexpedition berechtigt ist, zumal es sich bei dem Mörder um einen Yanomami handelt.« Bilac sprang auf, die Polizeitruppe zuckte zusammen, so plötzlich kam dieses Emporschnellen. Seine Stimme wurde heller und noch lauter: »Das Dorf wird niedergebrannt! Völlig! Ich will auch nicht einen Grashalm mehr sehen!« Seine Stimme überschlug sich. »Brennt es nieder! Dieses Dorf hat es nie gegeben!«
    Sein Gesicht glühte; Lippen, Augenlider, Nase, alles an ihm zitterte und bebte. Angewidert starrte Ribateio seinen Vorgesetzten an. Mein Gott, dachte er. Mein Gott, er ist verrückt. Ein Wahnsinniger!
    »Anstecken!« befahl Bilac mit schriller Stimme. »Zehn Mann brennen das Dorf nieder, die anderen folgen mir. Vielleicht stöbern wir im Wald noch einige der Kerle auf. Tenente Ribateio, Sie übernehmen hier das

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