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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sonntag vormittag viel Zeit zu haben. Er brach nicht sofort zum Shabono der Yanomami auf, um sein Strafgericht zu halten, sondern räkelte sich in einem der Korbsessel des Wohnzimmers der Mission. Schwester Lucia hatte es übernommen, die Getränke zu servieren, für die meisten Fruchtsäfte, nur Bilac und Ernesto bevorzugten Bier. Bilac war bester Laune. Die Episode mit den vier Garimpeiros hatte ihn aufgeheitert. Je mehr sich die Menschen unter ihm wanden, desto mehr blühte er auf. Und in solcher Laune erging er sich darin, Witze zu erzählen, wobei er selbst am lautesten lachte. Aber aus den Augenwinkeln beobachtete er genau, ob die anderen auch den Mund aufrissen. Um Bilac nicht zu reizen, lachten alle mit, sogar über den plattesten Witz.
    Es war eine Qual, Bilac zu ertragen, aber an diesem Sonntag morgen bedeutete es einen Aufschub: Doch die Ruhe vor dem Sturm war nur kurz. Ein mit Dreck überkrusteter Motorradfahrer knatterte von der Buschstraße her, hielt vor der Mission, sprang aus dem Sattel und stürzte in das Haus. Sein Erscheinen löste Verwunderung aus, die sich sofort in gespannte Aufmerksamkeit wandelte.
    Der Mann, wild aussehend mit seinen langen, verfilzten Haaren, ein Halbblut, wie man sofort sah, warf zwei rote Pfeile auf den Tisch und atmete erschöpft.
    »Das soll ich bringen«, keuchte er. »Sie wüßten, was es bedeutet! Senhores, ich falle um vor Durst.«
    Luigi faßte ihn am Ärmel und zog ihn in das Nebenzimmer. Ribateio räusperte sich erregt.
    »Die beiden Pfeile, mit denen gestern nacht zwei Garimpeiros erschossen wurden. Das Beweismittel, Senhor Coronel.«
    »Das haben wir gut gemacht, Tenente.« Bilac nahm die roten Pfeile näher in Augenschein. »Jetzt wissen wir es!«
    »Und sehr genau sogar.« Pater Ernesto zog einen Pfeil zu sich heran und hob ihn hoch.
    »Was heißt das?« fragte Bilac ahnungsvoll. Der Klang von Ernestos Stimme gefiel ihm nicht. Sie hatte einen spöttischen Unterton.
    »Wir haben damit den Beweis, daß diese Pfeile kein Yanomami abgeschossen hat.« Ernesto zeigte den Pfeil im Kreis herum. »Seht ihr es?«
    »Nein!« bellte Bilac auf. »Es ist ein roter Pfeil!«
    »Aber kürzer als der, den unser unbekannter Rächer abschickt.«
    »Das ist kein Beweis!«
    »Und die Spitze ist auch nicht aus Bambus oder Knochen geschnitzt, sondern sie ist aus Eisen!«
    »Was heißt das schon? Ob Bambus oder Eisen, es ist ein Indiopfeil!«
    »Keiner von einem Yanomami. Obwohl sie an Eisenspitzen herankommen können – Händler gehen damit hausieren –, bleiben sie weiter bei ihrem traditionellen Bambus. Und vergiftet ist er auch nicht.«
    Ernesto stach sich mit der Spitze in den Finger. Schwester Lucia schrie leise auf. Entsetzt starrten ihn alle anderen an. »Du bist verrückt!« stammelte Thomas. Gegen das tödlichste aller Gifte, die Sekretion des Giftfrosches, gab es kein Gegenmittel.
    »Keine Angst.« Pater Ernesto lächelte und warf den roten Pfeil auf den Tisch zurück. »Wollen Sie noch mehr Beweise, Coronel Bilac? Das ist kein Yanomami-Pfeil!«
    »Was auch immer. Hier wird getötet! Nach Indianerart getötet. Das genügt! Senhor Beja –«
    »Senhor Coronel?«
    »Sie von der FUNAI sind mein Zeuge. Was haben Sie dazu zu sagen?«
    »Es ist alles sehr rätselhaft.« Beja vermied eine klare Stellungnahme. Er wand sich wie ein Aal. »Es sind zwei Pfeile unbekannter Herkunft. Mit ihnen wurden zwei Garimpeiros erschossen. Wir können nur mutmaßen –«
    »Danke.« Bilac war zufrieden. Er hatte von Beja auch nichts anderes erwartet.
    Der Coronel sah auf seine Armbanduhr. Im Shabono am Fluß mußten jetzt die Yanomami beim Essenvorbereiten sein. Die beste Zeit, um die Strafaktion einzuleiten. Er erhob sich aus seinem Korbsessel. Zugleich sprangen die anderen Offiziere auf.
    »Sprechen wir noch einmal den Einsatz durch«, sagte er mit knarrender Stimme. »Trupp A geht geschlossen vor, ins Dorf hinein, Trupp B und C umkreisen auseinandergezogen das Dorf und fangen alles ab, was seitlich oder nach hinten fliehen will. Ich selbst werde bei Trupp A sein. Es wird sofort geschossen, wenn Fliehende beim ersten Anruf nicht stehenbleiben.« Und dann folgte das Ungeheuerlichste. »Das gilt auch für Frauen und Kinder!«
    »Wissen Sie, was Sie da befehlen?« rief Thomas außer sich. »Kinder!«
    »Die Kinder sind die Feinde von morgen! Das ist eine bekannte Tatsache!«
    Thomas schloß die Augen. Wenn ich jetzt eine Waffe hätte, dachte er. Hoffentlich haben alle Indianer das Dorf verlassen.

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