Das Regenwaldkomplott
der beiden Batterielampen.
»Werden sie die ganze Nacht über brennen?« fragte der eine.
»Das stört mich nicht. Mir ist viel wichtiger, ob die Indios eine Wache aufgestellt haben. Wir dürfen auf gar keinen Fall einen Indianer umlegen.«
»Und wenn sie eine Wache haben?«
»Dann wird es kritisch. Die Wilden hören alles, sehen in der Dunkelheit und riechen wie ein Tier. Sie riechen uns, ehe sie uns sehen.«
Die beiden Pistoleiros warteten noch eine Zeitlang, dann schlichen sie näher und hielten immer wieder inne, wenn ein trockener Ast unter ihren Schuhen knackte oder beiseite gedrückte Farne ein klatschendes Geräusch beim Zusammenschlagen erzeugten.
Im Lager rührte sich nichts. Sie standen geduckt am Rande des freigeschlagenen Kreises und sahen schemenhaft das Zelt: ein hellerer Fleck in der Finsternis.
»Keine Wache«, flüsterte der eine Pistoleiro.
»Bleib hier und halt mir den Rücken frei«, flüsterte der andere zurück. »Ich geh allein.«
Er legte sich auf den Boden und kroch lautlos, wie so oft geübt, am Rand der Lichtung entlang, dem Zelt zu. Kurz vor dem Zelt zog er die Pistole mit dem Schalldämpfer aus dem Gürtel und schob mit dem Daumen den Sicherungsflügel zurück. Er blieb liegen und wartete wieder ein paar Minuten, lauschte in die Finsternis und atmete in die Erde hinein.
Noch zwei Meter. Er kroch sie Zentimeter um Zentimeter vorwärts und drückte dann sein Ohr an die Zeltwand.
Völlige Stille. Er hob den Kopf und suchte nach einem zweiten helleren Schatten, nach einem zweiten Zelt. Das war der schwierigste Teil seines Auftrages, den Richtigen zu treffen. Aber es gab kein zweites Zelt.
Sieh an, dachte er. Sie schlafen zusammen. Wer hätte das gedacht? Die so kühl sich gebende Luise Herrmann und Marco Minho! Betrügt seine Braut schon in der ersten unbeobachteten Nacht. Eigentlich kann man sich den Schuß sparen. Man braucht nur Dr. Binder zu verständigen, was seine Luise im Urwald treibt. Dann bringt er Minho um, so sicher, wie ich Fernando Preto heiße.
Er lächelte breit bei dem Gedanken, kroch um das Zelt herum und schob die Plane am Eingang zur Seite. Das Zelt war so klein, daß die beiden Körper eng beieinander lagen. Wo lag Minho? Auf welcher Seite?
Fernando ließ für nur eine Sekunde ein Feuerzeug aufflammen. Der schnelle Blick genügte. Der rechte Körper war Minho. Der Pistoleiro hob die Pistole hoch. Wieder eine Sekunde Feuerzeuglicht, das niemand wecken konnte, und gleichzeitig krümmte sich der Finger. Das dumpfe Plopp des Schusses war kaum hörbar. Genau ins Herz drang das Projektil, nicht einmal aufbäumen konnte sich der Getroffene. Er zuckte nur in der Sekunde des Todes zusammen, und dieses Zucken war nur ein Reflex. Fernando ließ den Vorhang fallen und legte sich flach auf die Erde. Von innen hörte er, wie sich Luise auf die Seite drehte, im Schlaf gestört durch das Zusammenzucken.
Schnell kroch Fernando zum Waldrand zurück und huschte zu dem wartenden Pistoleiro.
»Weg!« zischte er. »Weg!«
»Erledigt?«
»Alles o.k.! Es war ganz einfach.«
Die ganze Nacht über liefen sie den Weg zurück und versteckten sich erst zwischen den Lianen und Brettwurzeln eines Riesenbaumes, als die Dämmerung das Leben im Regenwald wieder freigab. Sie waren weit genug gelaufen, niemand konnte ihnen mehr folgen oder sie entdecken. In zwei Tagen würden sie wieder in Novo Lapuna sein und mit einem der Transportflugzeuge zurück nach Surucucu fliegen. Dann gab es die Dollars bar auf die Hand, und weiter ging's nach Boa Vista, wo man sich mit hübschen Mädchen amüsieren würde. Bis zum nächstenmal, Leute. Für uns gibt es hier immer was zu tun!
Am Morgen wachte Luise als erste auf. Sie setzte sich, blinzelte in das Licht und stieß Tom mit dem Ellenbogen an.
»Mein Schatz!« rief sie fröhlich. »Aufstehen! Willst du Kaffee oder Tee?«
Thomas rührte sich nicht. Es lag auf dem Rücken und war seltsam blaß.
Luise lächelte und stieß ihn nochmals an. »Wach auf, du Langschläfer.«
Thomas rührte sich nicht.
»Tom, mein Liebling, was soll das? Du bist doch wach –«
Sie beugte sich über ihn, um ihn zu küssen. Da sah sie das kleine runde Loch auf seiner Brust und den dünnen Blutfaden, den sein Hemd aufgesogen hatte.
Und dann schrie sie … schrie und warf sich über den Toten und schrie weiter, schrie sich die Seele aus dem Leib, als könne sie den Geliebten mit ihrem Schrei wieder zum Leben erwecken.
Drei Yanomami brachten den Toten und die völlig
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