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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wenn Tenente Ribateio nicht an der Reihe war, rief er jedesmal in Boa Vista an. »Was ist denn nun?« schrie er. »Geschieht denn gar nichts? Morgen abend wird Dr. Binder beerdigt. Kommt denn keiner zum Begräbnis herüber?«
    Und jedesmal bekam er die lapidare Antwort: »Es läuft alles nach Plan. Warten Sie ab, Tenente.«
    Auch Pater Vincence gelang es nicht, Luise aus ihrer Starrheit herauszureißen. Oft saß er an dem Bett, umfaßte ihre kalten Hände und redete auf sie ein, sprach von der Pflicht, weiterzuleben, sagte ihr, daß es nicht im Sinne Toms sei, daß sie ihre Seele zwang, sich von ihrem Körper zu lösen, daß Tom erwartete, daß sie ihre Arbeit fortsetzte, daß es ein Frevel an Gott sei, wenn sie ihr von ihm gegebenes Leben fortwerfe – sie regte sich nicht. Ob sie ihn überhaupt hörte, konnte auch Pater Vincence nicht herausfinden.
    Ein paarmal ging er zu Pater Ernesto, der in der Schreinerwerkstatt an der Wand lehnte und zusah, wie die beiden Tischler aus hartem, rotschimmernden Mahagoniholz einen Sarg zimmerten. Luigi saß in einer Ecke der Werkstatt und schnitzte ein Kruzifix, das auf den Sarg gelegt werden sollte.
    »Ernesto, sprich du mit ihr«, sagte Vincence hilflos. »Ich komme nicht mehr an sie heran. Meine Worte erreichen sie nicht mehr. Sie hat sich innerlich aufgegeben, sie will nichts mehr als sterben.«
    »Ich kann sie verstehen.« Ernestos Stimme war hohl, als käme sie aus einem Kellergewölbe. »Ich kann sie verstehen, ich hadere selbst mit Gott. Aber ich werde mit ihr sprechen.«
    Er stieß sich von der Wand ab. »Ich werde es versuchen.«
    Er verließ die Schreinerwerkstatt mit tappenden, schleifenden Schritten. Pater Vincence sah ihm erschüttert nach. Aus Pater Ernesto war über Nacht ein Greis geworden. Ein alter, müder Mensch, der nach vierzig Jahren wieder Gott suchte.
    Am Abend wurde Thomas begraben.
    Pater Vincence hatte angeordnet, daß das Grab hinter dem Hospital ausgehoben wurde, und hier sollte Thomas liegen mit dem Blick zu dem niedergebrannten Dorf der Yanomami. So würde er für immer mit dem verbunden bleiben, was sein Leben bestimmt hatte. Das Hospital und die Indianer. Es gab keinen besseren Platz für sein Grab.
    Ernesto hatte es ihr mitgeteilt, und zum erstenmal zeigte Luise Regung. Sie drehte den Kopf zu ihm, und ihre Augen sagten: So ist es gut. Dort ist Platz genug auch für mich. Ich folge ihm bald.
    Im Laufe des Tages schwebten fünfzehn Flugzeuge in Santo Antônio ein. Sie kamen aus Boa Vista und brachten eine Trauergesellschaft in den Urwald, wie man sie selten bei einem Begräbnis sieht.
    Als erster landete mit einer Regierungsmaschine der Gouverneur von Roraima auf der Piste. Er wurde begleitet von vier hohen Beamten der Regierung und drei Offizieren, die acht riesige, aus Rosen und Orchideen gebundene Kränze ausluden. Das nächste Flugzeug brachte Coronel Bilac und Arlindo Beja von der FUNAI nebst vier hohen Polizeioffizieren. Auch sie brachten Blumengebinde mit. Miguel Assis mit Familie kam in seinem eigenen Flugzeug.
    Paulos Lobos und Dona Joana waren in Manaus geblieben. Die Nachricht, daß die zwei Pistoleiros den Falschen erschossen hatten und Minho noch lebte, hatte ihn in ein feuerspeiendes Ungeheuer verwandelt.
    »Du Bastard!« schrie er durchs Telefon den zitternden Direktor Rodrigues in Surucucu an. Alles, was es an gemeinsten Schimpfworten gab, prasselte auf Rodrigues herunter. »Den Falschen erschießen! Gibt es denn so was?«
    »Senhor, ich habe doch nicht geschossen, ich doch nicht.«
    »Aber du bist verantwortlich gewesen! Auf dich habe ich mich verlassen. Du Mißgeburt. Du weißt wohl, was du jetzt zu tun hast?!«
    »Ja, Senhor.« Rodrigues brach die Stimme, er stammelte nur noch. »Ich weiß. Diesmal können Sie sich auf mich verlassen, diesmal geht nichts schief. Und auch um Minho werde ich mich persönlich kümmern, Senhor.«
    Lobos knallte den Hörer auf und warf einen wilden Blick auf seine Frau. Dona Joana saß verzweifelt auf einem Sofa und rang die Hände.
    »Fliegen wir wie Assis auch nach Santo Antônio?«
    »Bist du verrückt?!«
    »Ich werde Sofia wiedersehen –«
    »Sie wird sich verstecken, wenn sie weiß, daß wir kommen! Willst du sie suchen wie eine Glucke ihr Küken?«
    »Sie ist mein Kind, Paulo.«
    »Meins auch, sieh mal an! Soll ich Minho gegenüberstehen, ohne ihn zu erschießen? Und das muß ich, wenn ich ihn sehe. Ich kann nicht anders. Damit würde alles zusammenbrechen, was mein Vater und ich aufgebaut

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